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Meinung: Generationenfrage

Was in Köln geht, hat in Bund und Ländern noch lange keine Chance: Schwarz-Grün

Wer eine Wahl hat, hat die Qual. Das Umgekehrte gilt für Parteien. Ihnen kann es zum Verhängnis werden, keine Wahl zu haben, ein und demselben Koalitionspartner auf Jahre hinaus ausgeliefert zu sein. Der Union zum Beispiel, derzeit im Hoch, käme angesichts der durch den Möllemann-Skandal gebeutelten FDP eine Alternative gelegen. Die Grünen, die ihren Koalitionspartner in die Tiefe stürzen sehen, hätten wohl auch gerne die Wahl. Kein Wunder, dass schwarz-grüne Gedankenspiele mal wieder Konjunktur haben.

Im Kölner Stadtparlament steht eine schwarz-grüne Koalition kurz vor ihrem Start. In Wien sondieren Grüne und Konservative sogar auf Bundesebene Koalitionsoptionen. Ein Signal für Berlin?

Zwar hat es in vielen Kommunen schon Kooperationen gegeben – „Zweckbündnis“ wurde das von beiden Seiten fast verschämt genannt –, eine schwarz-grüne Koalition im Bund gilt jedoch als Tabu. Dort, wo darüber geredet wird, schwingt etwas Verbotenes, Anrüchiges mit, folgen Distanzierungen und Relativierungen auf dem Fuß. Zum Beispiel, als der nordrhein-westfälische Landeschef der CDU, Jürgen Rüttgers, Köln zum Anlass nahm, um laut über schwarz-grüne Gemeinsamkeiten nachzudenken. Ein „Irrweg“ tönte es sogleich aus der Bundeszentrale, und auch die Parteivorsitzende Merkel sprach von einer abwegigen Idee – aus Rücksicht auf die konservativen Stammwähler. Möglich, dass die Österreicher zur Vorhut der Bewegung werden. Hier führen die Grünen und Konservative derzeit Sondierungsgespräche. Und keine der beiden Seiten scheut sich, das ganz öffentlich zu tun.

Die Österreicher sprechen aus, was auch in der Bundesrepublik ein offenes Geheimnis ist. Es gibt viele Themen, bei denen sich Christdemokraten und Grüne nahe sind. In der Finanzpolitik zum Beispiel. Der grüne Finanzexperte Oswald Metzger konnte mit Friedrich Merz ganz gut und erntete bei den Sozialdemokraten oft verständnisloses Kopfschütteln. Seiner Kollegin Christine Scheel geht es ähnlich. Bei den Reformen der Sozialsysteme fluchen die Grünen über die Beharrlichkeit der Sozialdemokratie und die Macht der Gewerkschaften. Viele Grüne könnten sich eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und – unter bestimmten Voraussetzungen – auch eine Aufweichung des Kündigungsschutzes vorstellen. Die Sozialdemokraten bremsen mit Rücksicht auf ihre Stammwähler. Mehr „Eigenverantwortung“ fordern die Grünen in der Gesundheitsvorsorge, das klingt mehr nach Schwarz als nach Rot. Kein Grüner würde wie der Generalsekretär der SPD behaupten, die Renten seien sicher. Die Grünen fordern den Umbau des Rentensystems analog zum Schweizer Modell. Und da finden sie bei so manchem Christdemokraten ein offenes Ohr.

Selbst die Außenpolitik scheint kein unüberwindbares Hindernis mehr zu sein, seit die Grünen nicht mehr den Ausstieg aus der Nato fordern und sich vom Fundamental- Pazifismus verabschiedet haben. In der Umwelt- und der Genpolitik wiederum hat sich die CDU auf die Grünen zu bewegt.

Warum also nicht Schwarz-Grün bei soviel Übereinstimmung in zentralen Fragen? Weil auch politische Ehen nicht nur auf Vernunft gründen. Was trennt, sind Lebensläufe, Gewohnheiten, das Milieu. Der damalige SPD-Fraktionschef Struck hat das einmal auf die Formel gebracht: „Mit den Grünen treff’ ich mich lieber zum Frühstück als mit Westerwelle und Co.“

Schwarz und Grün trennen persönliche Lebensläufe. Während Joschka Fischer in Frankfurt Häuser besetzte, dachten die Christdemokraten über schärfere Gesetze gegen Demonstranten nach, während Hans-Christian Ströbele gegen Vietnam demonstrierte, stellte sich Eberhard Diepgen gegen die 68er. Der Riss, der damals durch die Gesellschaft ging, trennt noch heute. Er wirkt besonders in gesellschaftspolitischen Fragen: Homo-Ehe, Asyl, Familienpolitik – hier liegen Welten zwischen Grünen und Schwarzen. Das sind zwar eher „weiche“ Themen, sie sind aber unverzichtbar für die jeweilige Identität.

Mag sein, dass Grüne und Christdemokraten im Kölner Stadtparlament ein Bündnis auf Zeit eingehen. Mag sein, dass die Jüngeren bei CDU und Grünen mehr zu Sagen haben und Brücken bauen. Bis sie im Bund gemeinsam am Regierungstisch sitzen, wird es noch dauern. Ein paar Jahre. Mindestens.

Simone von Stosch

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