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Meinung: Gesund sparen

Die Krankenkassen locken mit Bonusmodellen – vor allem, um Besserverdienende zu halten

Die gesetzlichen Krankenkassen überbieten sich darin, neue Bonustarife für das kommende Jahr anzukündigen: die großen Allgemeinen Ortskrankenkassen ebenso wie die kleinen Betriebskrankenkassen. Gesundes Leben und sparsamer Umgang mit medizinischen Leistungen sollen belohnt werden. Die Idee leuchtet unmittelbar ein: Wenn alle Deutschen seltener zum Arzt gehen, weil sie schlanke und durchtrainierte Nichtraucher wären, die sich gesund ernähren und nur mäßig Alkohol trinken, wäre unser Gesundheitssystem auf einen Schlag finanziell saniert.

Denn ein Großteil der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung fließt in das Kurieren von Krankheiten, nur ein geringer Teil in das Vorbeugen. Dabei sind viele unserer Zivilisationskrankheiten auf den Lebenswandel in der modernen Gesellschaft zurückzuführen: Herz-Kreislauf-Krankheiten etwa, chronische Rückenbeschwerden oder auch Diabetes. Das ergibt doch einen Sinn, wenn die Krankenkassen Anreize setzen für Fitness und gesundes Leben – durch einen Bonus oder einen Selbstbehalt. Wenn die Menschen seltener krank werden, sparen auch die Krankenkassen Geld, das sie an ihre Versicherten weitergeben können. So weit die schöne Theorie.

In der Praxis weisen manche Modelle Tücken auf: Beitragsrabatte etwa entziehen dem System der gesetzlichen Krankenversicherung zunächst Geld. Wenn die Krankenkassen den Versicherten einen Teil der Beiträge zurückerstatten, die ohnehin selten zum Arzt gehen, fehlen Einnahmen. Von Beitragsrückerstattungen profitieren vor allem die Jungen und Gesunden. Ob der Anreiz zur Verhaltensänderung auch für diejenigen groß genug ist, die mit jedem Wehwehchen zum Doktor rennen, muss sich zeigen.

Dennoch kann die Rechnung für die Kassen aufgehen. Nur wer freiwillig versichert ist, also mehr als 3825 Euro brutto im Monat verdient, hat mit der Gesundheitsreform die Option auf eine Beitragsrückerstattung. Genau diesen Gutverdienern steht die Möglichkeit offen, in die private Krankenversicherung zu fliehen. Ein Weg, den in der ersten Hälfte dieses Jahres immerhin knapp 350 000 Menschen wählten. Deshalb müssen die Kassen sich bemühen, gerade diese Versicherten zu halten. Rabatte können dabei helfen. Die Techniker Krankenkasse erprobt das bereits.

Die AOK will von 2004 an ihren Versicherten einen Bonus von bis zu 300 Euro im Jahr bieten, wenn sie regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen, Impfungen durchführen oder aktiv etwas für die Fitness tun. Die Versicherten der Gmünder Ersatzkasse können unter Präventionsangeboten auswählen, sich Punkte gutschreiben lassen und einen Bonus kassieren.

Stellt sich nur die Frage, was mit denjenigen passiert, die ohnehin regelmäßig Sport treiben? Sie werden sich sicher nicht in den Kassen-Kurs für Rückenkranke einschreiben, sondern lieber individuell ihren Sport weiter treiben. Sollen diese Versicherten mit ihren Beiträgen die Bonuszahlungen für bisherige „Faulenzer“ subventionieren? Die Kassenmanager werden noch viel Fantasie aufbringen müssen, um sich sinnvolle Anreizmodelle zu überlegen. Denn eine Verhaltenskontrolle ist schwer möglich. Wer etwa will überprüfen, ob ein Raucher tatsächlich den Griff zur Zigarette eingestellt hat?

Es wäre gut, wenn es den Kassen tatsächlich gelingt, kluge Instrumente zu erfinden, die zu mehr Prävention führen. Auch für die Patienten wäre das attraktiv: Bisher läuft der Wettbewerb zwischen AOK, Barmer und Co. nur über den Beitragssatz, kaum über das Angebot. Noch wissen die Versicherten nicht genau, was die Kassen tatsächlich im nächsten Jahr offerieren. Ein überzeugendes Weihnachtsgeschenk sind die vorliegenden Bonusmodelle jedenfalls noch nicht.

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