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Meinung: Gewalt von Rechts: Weder Worte - noch Schill

Die Bilanz ist deprimierend: Rechte Gewalttäter haben seit der Wiedervereinigung mindestens 97 Ausländer und Deutsche getötet, wie Tagesspiegel und "Frankfurter Rundschau" recherchiert haben. Allein seit dem Beginn des "Aufstands der Anständigen" im Sommer 2000 wurden drei Obdachlose umgebracht.

Von Frank Jansen

Die Bilanz ist deprimierend: Rechte Gewalttäter haben seit der Wiedervereinigung mindestens 97 Ausländer und Deutsche getötet, wie Tagesspiegel und "Frankfurter Rundschau" recherchiert haben. Allein seit dem Beginn des "Aufstands der Anständigen" im Sommer 2000 wurden drei Obdachlose umgebracht. Zahlreiche Opfer haben mit schweren Verletzungen nur knapp überlebt. Der Terror geht weiter, als habe es keine breite Debatte über die rechte Gefahr gegeben. Warum können Staat und demokratische Mehrheitsgesellschaft trotz aller Absichtserklärungen, Verbote, Strafmaßnahmen, Initiativen und Demonstrationen die Schläger nicht stoppen?

Rassismus und Sozialdarwinismus sind in Teilen der Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit. Vor allem Ausländer und Obdachlose gelten auch vielen Normalbürgern als suspekt. Antirassistische Appelle und Aufklärung verhallen oft. In diesem Klima gedeiht Gewalt, nach wie vor. Daran würden auch die Methoden eines Ronald Schill nichts ändern. Er könnte vielleicht die Jugendgewalt etwas herunterdrücken - gleichzeitig nähme der staatliche Druck auf Ausländer und Obdachlose bei ihm krasse Formen an.

Auch die Maßnahmen, die seit dem 11. September diskutiert werden, nutzen wenig. Rasterfahndung und Fingerabdrücke in Pässen taugen nichts gegen den Alltags-Rassismus.

Bei den Demokraten, die sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagieren, ist Ratlosigkeit zu spüren. Die gesellschaftliche Aufmerksamkeit habe zugenommen, aber das rechte Problem eben auch, meint Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Selbst Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm gibt die Existenz von "Angsträumen" zu. Thierse und Schönbohm sind die Galionsfiguren der zwei Linien im Kampf gegen Rechts: Der Bundestagspräsident setzt vor allem auf die Initiative der Zivilgesellschaft, der Minister propagiert vornehmlich Repression. Beide Konzepte haben leider zu wenig bewirkt.

Eine Ursache ist offenkundig der Mangel an innerem Engagement in den Behörden wie in der Gesellschaft überhaupt. Bei den Recherchen zu der neuen Zahl von Todesopfern rechter Gewalt war dieses Defizit wieder zu spüren: Da zeigen Polizisten, Staatsanwälte und Politiker wenig Interesse, wenn sie zum Tod eines Obdachlosen befragt werden. "Wir wissen nicht, welches Motiv die Schläger hatten, aber rechtsextrem war es nicht" - so lautet eine oft zu hörende Antwort. Klingt nicht nach Aufstand, sondern nach Ausstand der Anständigen.

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