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Großflughafen Schönefeld: Flugrouten: Zum in die Luft gehen

Wer immer die Desinformationspolitik um die Flugrouten zum neuen Berliner Airport zu verantworten hat, treibt mit den Ängsten der Anwohner ein übles Spiel. Dass so haarsträubende Fehler geschehen, hat sehr wenig mit Stadtnähe, sondern viel mit Bürgerferne zu tun.

Wäre dieses Land keine gefestigte Demokratie, sondern ein Staat im Graubereich zwischen Kumpelwirtschaft und tagtäglicher Behördenwillkür, würde der Aufstand vermutlich jetzt irgendwann beginnen. Wer immer die Desinformationspolitik um die Flugrouten zum neuen Airport im Süden der Stadt zu verantworten hat, treibt mit den Ängsten der Anwohner ein übles Spiel. Allenfalls die Hoffnung, dass es sich dabei nicht um Vorsatz, sondern „nur“ um Fahrlässigkeit, gepaart mit Dummheit und Arroganz handelt, dass sich also irgendwann der Rechtsstaat durchsetzt, wird die Betroffenen von einer offenen Revolte abhalten.

Wenn jetzt das Umweltbundesamt eine Pressekonferenz zu seinen Anforderungen an den neuen Flughafen am Vorabend offenbar unter ministeriellem Druck absagt, dann ist das so etwas wie der Schlussstein in einem Gewölbe aus Vertuschungen und Halbwahrheiten. Wesentliche Inhalte des Gutachtens, angeblich besonders auf Lärmschutz ausgerichtete Routenvarianten, kursieren. Das hat fatale Nebenwirkungen, denn niemand weiß, ob das, was kolportiert wird, den Fakten entspricht. Verantwortlich dafür ist, auf Druck des Verkehrsministers, ein Umweltminister, der das große Rad Energiewende dreht und für dessen Visionen der Berliner Flughafen und die Sorgen seiner Anlieger eine Nummer zu klein sind.

Schuldlos ist das Umweltbundesamt an dem Eklat nicht. Die Forderung der Behörde nach einer Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr für einen internationalen Flughafen ist völlig weltfremd. Sie entspricht auch nicht der Rechtslage. Zwischen 22 und 24 Uhr und von 5 bis 6 Uhr ist ein eingeschränkter Betrieb erlaubt. All die, die jetzt aufschreien, verdrängen oder überhören aber offenbar den seit Jahrzehnten geltenden 24-Stunden-Betrieb in Schönefeld. Im Jahr 2010 starteten und landeten dort zwischen Mitternacht und 5 Uhr 4500 Maschinen. Künftig herrscht in dieser Zeit Nachtruhe.

Die unstrittige Rechtsgrundlage des neuen Flughafens ist das eine, die Trickserei um die Flugrouten das andere. Beides sollte man nicht vermischen. Bei der Gestaltung der An- und Abflüge gibt es drei Prioritäten: An erster Stelle steht die Sicherheit, an zweiter der Lärmschutz, an dritter die Wirtschaftlichkeit. Als die deutsche Flugsicherung am 6. September 2010 ihre Routenpläne veröffentlichte, maß sie der Wirtschaftlichkeit eindeutig größere Bedeutung zu als dem Lärmschutz. Verkehrsminister Peter Ramsauer sorgte für nötige Korrekturen und die Wiederherstellung einer menschenfreundlichen Rangfolge der Kriterien. Bis heute unbestritten sind aber Behauptungen von Klägeranwälten, Brandenburgs Verkehrsministerium habe seit 1998 gewusst, dass auf einer von beiden Startbahnen der Flugverkehr aus Sicherheitsgründen in einem 15-Grad-Winkel abknicken müsse. Es habe also gewusst, dass ganz andere Regionen vom Fluglärm betroffen sein werden. Dass sich zwischen Berlin-Lichtenrade und Blankenfelde-Mahlow nicht weite, unbewohnte, Flächen erstrecken, sondern umfangreiche Neubausiedlungen, übersahen die Planer.

Am 30. Januar sollen die endgültigen Flugrouten vorgestellt werden. Der Verkehrsminister sollte sie jedoch mit dem Stempel „vorläufig“ versehen. Ihre Anwendung muss laufend überprüft und angepasst werden. In Schönefeld eröffnet im Juni mit Sicherheit der letzte stadtnahe Flughafenneubau Europas. Dass im Vorfeld so haarsträubende Fehler geschehen, hat aber sehr wenig mit Stadtnähe, sondern viel mit Bürgerferne zu tun.

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