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Meinung: Grünen Parteitag: Misstrauen gegen sich selbst

Tagelang mussten die Grünen Nachrufe auf sich selbst lesen. Sowas lenkt natürlich ab.

Tagelang mussten die Grünen Nachrufe auf sich selbst lesen. Sowas lenkt natürlich ab. Dennoch ist schwer zu verstehen, dass die Spitzenfunktionäre in Gefahr und größter Not den Mittelweg nehmen. Unfreundlicher gesagt: Der Vorstand plant für den Parteitag eines der frechsten Betrugs- und Selbstbetrugsmanöver in der diesbezüglich reichhaltigen Parteigeschichte.

Um der unwilligen Basis so etwas wie Zustimmung zur Politik ihres Außenministers abzuschummeln, wählen sie folgende doppelzüngige Formulierung: "Wir akzeptieren, dass unsere Abgeordneten mehrheitlich der Bereitstellung von Einheiten der Bundeswehr zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus zugestimmt haben." Sie stimmen nicht etwa zu oder begrüßen gar, sie akzeptieren nur, sie nehmen also hin. Dieses Jein auf Stelzen will man dann als Unterstützung für Joschka Fischer ausgeben. Halten die Grünen die Öffentlichkeit und die Wähler für so dumm?

Ein ganzer Sack voller Lügen und Halbwahrheiten soll wohl in Rostock über der grünen Basis ausgeschüttet werden: Der Krieg sei schon so gut wie vorbei, jetzt kommen die lieben Deutschen und die noch lieberen Grünen und bringen warme Decken. Die Bomben sind nur die Bomben der Amerikaner, die von Schröder allenfalls, aber nicht unsere. Uns ist die Humanität! Und die 100 KSK-Kräfte, die sind nur eine Art Polizei, die Verbrecher fangen sollen. So hätten die Grünen den Kampf gegen den Terror gern - und der Außenminister eröffnet die erste Friedenskonferenz zu Afghanistan, wie schön, wie grün. Offenbar bezweifelt der Vorstand, dass er eine Mehrheit mit der Wahrheit bekommen kann: Der Krieg ist keineswegs vorbei, und wie genau die Bundeswehr eingesetzt wird, macht moralisch keinen Unterschied, weil sie die USA unterstützt. Jeder tote Taliban ist auch ein grüner Toter, jeder KSK-Mann, der nicht zurückkehrt, ebenfalls. Und Fischer könnte nicht Vermittler sein, wenn Deutschland nicht auch zu einem militärischen Beitrag bereit wäre: Oliv-grüne und grün-grüne Außenpolitik sind untrennbar, bedingen sich sogar.

Das Hauptproblem der Grünen ist in Rostock nicht, irgendeine Mehrheit zusammenzubringen, sondern von der gebückten in eine aufrechte Haltung zu kommen. Die Partei hat nicht deswegen 17 Wahlen hintereinander verloren, weil sie eine falsche Politik gemacht hat, sondern weil sie zu der Politik, die sie macht, nicht steht, oder nur mit schlechtem Gewissen, wahlweise mit geheuchelter Begeisterung. Des Kanzlers Vertrauensfrage hat offenbart, wie verbogen die Grünen ihrer eigenen Politik gegenüber sind. Sie sagen nicht: Es ist richtig, in Afghanistan militärisch zu interventieren, sie sagen: Wir müssen da mitmachen wg. Macht. Sie sagen nicht: Das Militärische ist heute unausweichlicher Bestandteil deutscher Außenpolitik, und das ist richtig, solange wir keine Falkland-Kriege führen, sondern solche für die Menschenrechte und die Selbstverteidigung der Demokratie. Stattdessen tun sie, als könnten nur die Grünen die USA vom allergröbsten Unfug abhalten.

Das alles macht die Grünen krumm, unattraktiv, zu einer Partei mit moralischem Mundgeruch. Für grüne Gewissensqualen gibt es keine Prämien mehr, ihr moralischer Alleinvertretungsanspruch ist bei der Vertrauensabstimmung zerstoben. Sie haben bis zur Bundestagswahl genau zehn Monate Zeit, sich aufzurichten, sich selbst zu vertrauen, Ja zu sagen zur eigenen Politik und etwas zu entwerfen, was über das schiere Regieren hinausgeht, ohne in grüne Vergangenheiten zurückzufallen. Wenn sie in Rostock nicht damit beginnen, dürfte das ein zu kurzer Zeitraum sein.

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