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Meinung: Grundsatzurteil: Ein Staat und seine Feinde

Das Urteil ist nicht überraschend, beschreibt aber eine beachtliche Würdigung. Laut Bundesgerichtshof hat der Generalbundesanwalt zu Recht die Ermittlungen gegen drei Neonazis an sich gezogen, die im August 1999 im vorpommerschen Eggesin zwei Vietnamesen schwer misshandelten.

Von Frank Jansen

Das Urteil ist nicht überraschend, beschreibt aber eine beachtliche Würdigung. Laut Bundesgerichtshof hat der Generalbundesanwalt zu Recht die Ermittlungen gegen drei Neonazis an sich gezogen, die im August 1999 im vorpommerschen Eggesin zwei Vietnamesen schwer misshandelten. Vor "Eggesin" war die Ahndung solcher Exzesse nur eine Angelegenheit der Justizbehörden der Länder. Dass der Bundesgerichtshof ausdrücklich die hohen Hürden für den Einsatz des obersten Anklägers nennt, unterstreicht die prinzipielle, auch politische Bedeutung dieser Entscheidung: Rechtsextreme Gewalt bedroht die innere Sicherheit in einem Maße, dass sie mit der vom RAF-Terrorismus ausgehenden Gefahr vergleichbar ist.

Dieses Signal war überfällig. Die kahl geschorenen Feinde der Demokratie müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie nicht "nur" mit regionalen Behörden konfrontiert sind, sondern mit dem gesamten Staat. Der damit aber auch eingesteht, dass die Bedrohung durch rechten Straßenterror eine der gefährlichsten Kampfansagen an die Demokratie seit Gründung der Bundesrepublik darstellt. Und die Länder alleine dieser Herausforderung nicht mehr gewachsen sind.

Diese Einsicht kommt spät und ist keine Garantie für allseits entschlossenes Auftreten von Polizei und Justiz gegen rechte Kriminalität. Doch der Zugzwang wird stärker, wenn Generalbundesanwalt und Bundesgerichtshof den fast schon alltäglichen Angriff auf Ausländer als Anschlag auf die innere Sicherheit und "Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Bundesrepublik" werten. Da wird zum Beispiel das Versagen der Polizeiwache in Guben bei der tödlichen rechten Hetzjagd auf den Algerier Farid Guendoul doppelt deutlich. Leider war sich Generalbundesanwalt Kay Nehm im Februar 1999 noch nicht sicher, ob der gewaltsame Tod Guendouls genügend Anlass für die Übernahme der Ermittlungen bot. Guben ereignete sich vor dem Überfall in Eggesin, der den Generalbundesanwalt dann zum Eingreifen veranlasste. Anschließend schaltete sich Nehm gleich in drei weiteren Fällen rechtsextremer Gewalttaten ein.

Dieses durchaus zu begrüßende Engagement löst allerdings nicht das prinzipielle Problem der Legitimation. Der Generalbundesanwalt kann nur in Einzelfällen tätig werden. Doch ist nun der Angriff auf zwei Vietnamesen ein Staatsschutzdelikt von übergeordneter Bedeutung - und das Totprügeln eines Obdachlosen auf Usedom nicht? Möglicherweise gibt es keine direkte Antwort. Sie wäre vielleicht auch unnötig, wenn Polizei und Justiz überall der rechten Gewalt effektiv entgegenträten.

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