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Meinung: Gutes Klima, schlechtes Geschäft

Von Gerd Appenzeller

Gerhard Schröder ist ein geschlagener Mann. Als er sich beim Bauunternehmer Holzmann als Retter in letzter Stunde anbot, wurde ihm der Vorwurf gemacht, er mische sich um kurzfristiger politischer Vorteile wegen in die Wirtschaft ein. Jetzt hält sich seine Regierung auf europäischer Ebene zurück – und wird wieder gescholten. Erst sorgte das französische Wirtschaftsministerium dafür, dass der Pharmakonzern Aventis in Straßburg mit der ebenfalls französischen SanofiSynthélabo zusammenging und nicht etwa mit einem deutschen Unternehmen. Jetzt bremst der gleiche Wirtschaftsminister den Versuch von Siemens aus, bei Tochterunternehmen des französischen Anlagenbauers Alstom einzusteigen. Der Bundeskanzler soll die Position des für diese Industriepolitik verantwortlichen Ministers Nicolas Sarkozy als „extrem nationalistisch“ bezeichnet haben. Dass Regierungssprecher Bela Anda dies nicht kommentieren wollte, heißt: Es stimmt.

Sind die Franzosen für die Deutschen zu clever? Lässt sich Schröder von Chirac über den Tisch ziehen? Ist die brüderliche Umarmung des 6. Juni am Strand der Normandie nur eine Geste? Nein, nein, sagt der Kanzler und beschwört das Einvernehmen mit dem Präsidenten, so, als wisse der nicht, welche Politik seine Minister verfolgen.

Fakt ist: Der französische Staat ist immer noch massiv in der Industrie engagiert. Und so, wie jede Regierung in Paris versucht, französische, hoch qualifizierte Spitzenbeamte in Brüssel in verantwortungsvolle Positionen zu bringen, nutzt sie jede Chance, die heimische Industrie und deren Auslandsengagements zu fördern, oder europäische Projekte in Frankreich anzusiedeln. Der Airbus, bei dessen Produktion Deutschland nur noch eine bessere Werkbankfunktion hat, ist ein Beispiel dafür – aber eben auch ein Indiz für andere Standortvorteile: Das geteilte Deutschland hätte als Produktionsmittelpunkt keine Chance gehabt, und im Hinblick auf die vielen Testflüge ist das Wetter in Toulouse eben einfach viel besser. Die deutsche Regierung kann weder die politische noch die meteorologische Großwetterlage beeinflussen – das geschäftliche Kleinklima aber schon. Und da sind die Franzosen offenbar schneller und effektiver.

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