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Meinung: Hai-Alarm

Seit Leo Kirchs Spiegelinterview ist er in Deutschland "der Hai". Zeigt er die Zähne, stockt den Hütern der Medienvielfalt das Blut in den Adern.

Seit Leo Kirchs Spiegelinterview ist er in Deutschland "der Hai". Zeigt er die Zähne, stockt den Hütern der Medienvielfalt das Blut in den Adern. Murdoch bei Schröder - Gerüchte rühren Blutlachen von Spekulation auf. Der schlechte Ruf Murdochs weht von England herüber, wo übrigens auch die Hai-Metapher ihren Ursprung hat. "In der einen Minute schwimmt er lächelnd neben dir. Dann Schnapp! Blut ist im Wasser. Dein Kopf ist ab." Das sagte damals John Barry, der Murdoch nicht nur als Redakteur bei der Times, sondern als Gewerkschaftsvertreter kennen lernte. Aber wie haifischartig ist der Medienunternehmer Murdoch wirklich?

Wie er sich mit seinem 40-prozentigen Anteil am britischen Zeitungsmarkt in die Politik mischte, ist für alle Medienbehörden ein Lehrstück. Murdoch hält nicht viel von redaktioneller Freiheit. Es ist kein Zufall, dass alle seine Zeitungen, auch die "Times", konsequent europakritisches Gedankengut unter die Leute bringen. Am Wahltag 1992 war es eine Schlagzeile der Sun ("Der Letzte, der Großbritannien verlässt, soll die Lichter ausmachen"), die Labours Niederlage besiegelte. Blair konnte 1997 die Sun nur durch einen Teufelspakt mit Murdoch auf seine Seite ziehen, und niemand könnte sagen, ob Labours zögernde Euro-Politik noch heute von solchen Interessen beeinflusst ist.

Unverblühmt paktiert Murdoch mit der Macht. Die Times-Gruppe erhielt er 1981 mit Thatchers stillschweigender Duldung. Seinem Kampf um den lukrativen chinesischen Markt opferte er ohne mit der Wimper zu zucken die Meinungsfreiheit: Über Nacht warf er den BBC World TV Sender von seinem Star-Satelliten, weil es China so wollte.

Aber all das ist seinem unternehmerischen Innovationsdrang untergeordnet. Er war der Erste, der sich in Großbritannien mit den Druckergewerkschaften anlegte. Er war der Erste, der in Europa erfolgreiches Pay-TV machte. Er bringt als Erster den Chinesen Internet und Digital-TV. Was immer dafür benötigt wird - Dumping Preise bei der Times, oder die Kommerzialisierung des europäischen Fußballs - es geht Murdoch um den Geschäftserfolg.

Aber deshalb ist sein politisches Taktieren frei von Eitelkeit und falschen Schmeicheltönen. Man weiß, was man an ihm hat. Die Übereinstimmung zwischen Murdochs politischen Überzeugungen und seiner Unternehmerstrategie ist nahtlos. Der Kern seiner Überzeugungen liegt offen da: Freier Markt, freies Unternehmertum, Kampf gegen Regulierung, Bürokratie und alte Gesellschaftsstrukturen. Globalisierung, American Way of Life für alle - das ist die Klammer, mit der Murdoch die Interessen der Großunternehmer und der Sun-Leser zu verbinden glaubt.

So wissen wir, wer Murdoch ist. Kein mythischer Haifisch, nur ein konsequenter und notfalls rücksichtsloser Unternehmer. Er ist wie einer jener amerikanischen Eisenbahnpioniere, die ja auch nicht zimperlich dabei waren, als sie die Zivilisation nach Westen brachten - oder was sie dafür hielten. Aber der Vergleich hinkt natürlich. In der deutschen Medienlandschaft gibt es nicht nur machtlose und unschuldige Indianer, und wir wollen auch nicht in einem Reservat leben.

Also ist rationaler Umgang mit Murdoch angesagt. Man kann aus den englischen Erfahrungen lernen, aber für eine "exception culturelle", die uns nach französischem Vorbild vor den Verführungen der Murdochschen Globalkultur schützen müsste, ist es eh zu spät. Man muss ja nur das Fernsehen anstellen. Premiere und Pay TV, was immer man davon halten mag - es würde nicht dadurch schlechter, dass der Australier Murdoch am Ruder sitzt. Höchstens rentabler.

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