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Meinung: Haider strahlt gefährlich

Auch ein böses Huhn findet mal ein gutes Korn. Österreichs Rechtspopulist Jörg Haider hat mit dem Volksbegehren eine berechtigte Sorge aufgegriffen über Sicherheitsrisiken im tschechischen Atomkraftwerk Temelin.

Auch ein böses Huhn findet mal ein gutes Korn. Österreichs Rechtspopulist Jörg Haider hat mit dem Volksbegehren eine berechtigte Sorge aufgegriffen über Sicherheitsrisiken im tschechischen Atomkraftwerk Temelin. Die Wiener Parlamentarier müssen sich mit dem AKW erneut beschäftigen, sehr zum Ärger von Österreichs Bundeskanzler Schüssel, der sich im Dezember - unter Ägide der EU - mit Tschechien schon auf sicherheitstechnische Nachbesserungen geeinigt hatte. Bei diesen Verhandlungen war die FPÖ außen vor geblieben. Jetzt also die gelungene Revanche der Rechtspopulisten. An dem Konflikt könnte die rechtskonservative Koalition aus ÖVP und FPÖ zerbrechen. Die ÖVP will unter keinen Umständen mittragen, was das Referendum auch fordert: ein österreichisches Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens, wenn Prag Temelin nicht vom Netz nimmt.

Bürger eines EU-Landes sagen Nein zum Beitritt eines anderen Staates. Das kann Österreichs Kanzler nicht wollen. Man stelle sich vor, die Spanier würden demnächst ein Veto gegen die Polen einlegen, die Dänen gegen Ungarn, Frankreich gegen das Baltikum. Formaljuristisch wäre das möglich, es könnte aber fatale Konsequenzen haben. Deshalb gilt, sozusagen als freiwillige Selbstkontrolle, der ungeschriebene Konsens, die Erweiterung nicht per Veto gegen einzelne Länder zu blockieren.

Volksbegehren gab es bisher nur zu Fragen, die das eigene Land im Verhältnis zur Union betreffen: Dänemark votierte per Referendum im vergangenen Jahr gegen den Euro. Die Iren sprachen sich mit knapper Mehrheit gegen den Vertrag von Nizza aus. In beiden Fällen ging es weniger um Inhalte - die dänische Krone bleibt an den Euro gebunden, am Nizza-Vertrag ändern die Iren nichts. Beide Volksabstimmungen spiegelten vielmehr eine gehörige Portion EU-Skepsis. Wegen der Brüsseler Bürokratie, wegen der Angst vor dem Verlust nationaler Identität, weil die eigenenen Interessen in Brüssel zu wenig Gehör finden. Im Referendum haben die Menschen ihrem Ärger Luft gemacht - geändert hat sich wenig: Die Beteiligung der Bürger an Europa mittels Volksbefragung blieb schöner Schein.

Jetzt also das Referendum der Österreicher, das die Kritik an Temelin mit einer Forderung verknüpft: dem Veto gegen Tschechiens EU-Beitritt. Auch hier geht es weniger um Inhalte als um Stimmungen. Sicher, atomarer Staub kennt keine Landesgrenzen. Die benachbarten Regionen in Österreich und Deutschland haben also ein berechtigtes Interesse, bei Temelin ein Wort mitzureden. Ginge es aber um die Sicherheit, müsste sich der Protest weniger gegen dieses AKW als vielmehr gegen die völlig veralteten Meiler im mährischen Dukovany richten. Außerdem kann doch nur die EU-Mitgliedschaft der Tschechen eine wirkliche Kontrolle der Sicherheitsstandards gewährleisten.

Das wissen auch die Rechtspopulisten von Jörg Haider. Sie haben die ökologischen Bedenken verknüpft mit dem rassistisch aufgeladenen Ressentiment gegen den slawischen Nachbarn und sich so - nach Monaten sinkender Umfragewerte - wieder ins Rampenlicht gerückt. Dass diese Strategie so erfolgreich war, zeigt, wie tief das Misstrauen auf beiden Seiten der Grenze noch ist.

Ein Veto gegen Tschechiens EU-Beitritt ist politisch nicht durchsetzbar, das weiß auch die FPÖ. Das Referendum muss zwar im Parlament beraten, es kann jedoch schon mit einer einfachen Mehrheit abgelehnt werden. Politisch gefährlich ist es aber trotzdem: Tschechiens Ministerpräsident Zeman, auch er bekannt für grobe Gesten, nennt Jörg Haider inzwischen einen "Nazi-Politiker" und ein "politisches Tschernobyl". Die künftigen EU-Partner Österreich und Tschechien sind also drauf und dran, sich die gemeinsame Zukunft zu vergiften.

Dass dies alles so geschehen konnte, beweist erneut die Gleichung: Je weniger die EU auf die Ängste und Interessen der Menschen Rücksicht nimmt, desto wahrscheinlicher, dass mit diesen Stimmungen populistisch Politik betrieben wird. Die Antwort kann nicht Kritik am Volksbegehren sein, sondern eine transparente Politik, die die Menschen nicht nur scheinbar, sondern tatsächlich mitbestimmen lässt. Mehr Demokratie - mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Die Union hält das aus. Und wächst auch durchs Streiten zusammen.

Simone von Stosch

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