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Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann.

© Karikatur: Tagesspiegel

Handy-Nutzung: 40 Stunden jährlich auf Empfang

Jeder Deutsche telefoniert im Schnitt 40 Stunden mit dem Handy pro Jahr. Nicht am Stück. Unserem Kolumnisten Helmut Schümann ist das noch viel zu wenig.

Der Mann hat natürlich auch ein Handy. Es gibt Menschen, die sagen, dass es ab Mitte fünfzig nur noch darum geht, in Würde zu altern. Aber deswegen, vielleicht gerade deswegen, muss der Mann, der Mittfünfziger, selbstredend auch kommunikationsfreudig sein und immer erreichbar. Aus gegebenem Anlass stellen wir uns jetzt mal eine 40 vor. 40 Stunden, das sind 2400 Minuten. Oder in Tagen und Nächten gerechnet, ist das zum Beispiel die Zeitspanne von Montag 00:00Uhr bis Dienstag 00:00 Uhr bis Dienstag 12:00 Uhr bis Dienstag 16:00 Uhr. Es ist also ziemlich lang, zumal kein Schlaf zwischendurch Erholung schenkt. Und es ist die Zeit, die jeder Deutsche jährlich am Handy verbringt, telefonierend, redend, zuhörend. 40 Stunden. Wenn er diese Zeit nicht aufs Jahr verteilen, sondern am Stück abarbeiten würde, wäre das eine ziemliche Tortur. Eigentlich ist es noch viel mehr. In der Statistik wurden die sehr Kleinen, also die, die ihr Starthandy mit Austritt aus der Kita empfangen, als Volltelefonierer gerechnet. Deren Stunden müssten noch hinzuaddiert werden. Trotz demografischer Probleme kommen für die tatsächlichen Telefonierer noch ein paar Stunden hinzu. Gefühlt telefoniert demnach jeder handyfähige Deutsche 45 Stunden im Jahr, also bis Dienstag 21:00 Uhr. Danach sollten die Ohren heiß sein und der Mund faserig.

Nach so einer Orgie müssen, um mit einem Handyverweigerer, dem Hugo von Hofmannsthal, zu reden, „die Worte, deren sich doch die Zunge naturgemäß bedienen muss, um irgendwelches Urteil an den Tag zu geben“, im Munde zerfallen wie modrige Pilze. Und so ist es ja auch, wenn man mal an der Bushaltestelle steht oder in der U-Bahn sitzt und die Gespräche mitanhört. Mitanhören muss. Modrige Pilze. Manchmal ist es auch nur der Hinweis, doch jetzt bitte die Kartoffeln aufzusetzen, „ich fahr jetzt los“. Es gibt natürlich auch Menschen, die heimlich ordentlich mehr telefonieren

Aber keine Kritik an den modernen Zeiten. Im Gegenteil. Es muss noch viel moderner zugehen. Das Video-Handy muss sich durchsetzen. Telefonate, bei denen sich die Gesprächsteilnehmer sehen können. Nicht nur auf einem per Fotoshop geschönten und gespeichertem Porträt. Sondern eins zu eins, zeitgleich, und auch zu sehen ist, wo sie sich aufhalten und in welchem Zustand sie sich wo aufhalten. Der Mann, der mit den weitläufigen Geheimratsecken und der Brille im Gesicht, legt dann auf jeden Fall auf.

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