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Meinung: Hans im Silbersee

Von Antje Sirleschtov

Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, Omas altes Silberbesteck zur Pfandleihe zu tragen, um damit schnell mal eben das Budget für den Familienurlaub in diesem Sommer aufzubessern. Denn das so genannte Tafelsilber hat seinen Namen nicht bekommen, weil es für die alltäglichen Bedürfnisse herhält, sondern weil es nur in besonderen Fällen zum Einsatz kommen soll. Es stellt einen Vermögenswert dar, den Familien über Generationen hinweg bewahren, bestenfalls mehren.

Hans Eichel sind solche Traditionen fremd. Niemals käme der SPDFinanzminister sonst auf den Gedanken, das Vermögen des Bundes – des Volkes Tafelsilber also – bis zum Ende des nächsten Jahres bis auf einen kleinen Rest zu dezimieren, nur um mit dem Erlös die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben im laufenden Haushalt zu schließen. 30 Milliarden Euro will Eichel 2006 durch den Verkauf von Unternehmensanteilen und Schuldscheinen anderer Länder erzielen. Die Abgabe der letzten Postaktie des Bundes am gestrigen Tag markierte dafür erst einen Anfang. Spätestens 2007, und das gibt der Finanzminister auch unumwunden zu, ist die Schatzkammer des Bundes dann leer.

Nun könnte man meinen, der Sozialdemokrat Eichel folgt mit dieser Strategie einem alten konservativen ordnungspolitischen Lehrsatz, der da heißt: Der Staat soll sich nicht als Unternehmer hervortun, er soll Dienstleister und nicht Marktteilnehmer sein. Er soll also privatisieren, was er besitzt. Nicht zuletzt der Bayer Theo Waigel folgte diesem Lehrsatz schließlich auch ohne jede Scheu. Allerdings verdrehte seinerzeit auch Waigel – genau wie Hans Eichel jetzt – die Richtigkeit des staatlichen Privatisierungsgebots und stopfte mit den Verkaufserlösen seine Haushaltslöcher zu, statt die Ausgaben zu drosseln und mit den Erlösen aus Beteiligungsverkäufen Schulden abzubauen. Keine sechs Jahre ist es her, dass Hans Eichel selbst seinen CSU-Amtsvorgänger für dessen Verhalten zum finanzpolitischen Schlawiner erklärt. Nun folgt er ihm.

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