zum Hauptinhalt

Meinung: Hans Potemkin

Der Finanzminister schminkt seinen Haushalt schön

In der Stunde der Not kennt der Finanzminister weder Freund noch Gegner, da kämpft er an allen Fronten und mit fast jedem Kombattanten. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, in der Regel keine Parteigängerin Hans Eichels, veröffentlichte der jetzt einen Artikel, den man sowohl als Appell an die EU-Kommission als auch als Tritt an die Schienbeine der fünf Wirtschaftsweisen betrachten kann. Es geht um die drohenden Strafzahlungen für den Fall, dass Deutschland auch im kommenden Jahr die Euro-Stabilitätskriterien wieder so überheblich verletzt, als seien die für Kreti und Pleti, nicht aber für die Deutschen gemacht. Da liest man so kernige Sätze wie „Der Pakt ist kein Strafgesetzbuch“ oder „Ohne ausreichendes Wachstum gibt es keine dauerhafte Konsolidierung“. Weshalb das alles? Hans Eichel will erklären, warum er weiter mehr Schulden machen will als erlaubt und dennoch glaubt, mit sich und den europäischen Verträgen im Reinen sein zu dürfen.

Dass ihm einer der „FAZ“-Herausgeber in der gleichen Ausgabe das harsche Urteil auf den Weg mitgibt, der Gastautor irre, ist kein guter Stil. Aber es beleuchtet, wie desolat die Ausgangslage ist. Der Stabilitätspakt liest sich eben doch, anders als Hans Eichel meint, streckenweise wie ein Strafgesetzbuch, in dem aufgelistet wird, was dem blüht, der sich nicht an die Regeln hält.

Politiker mit Kurzzeitgedächtnis müssen daran erinnert werden, dass der Initiator dieses drakonisch anmutenden Katalogs einer der Vorgänger Hans Eichels war: Theo Waigel, der immer so finster blicken konnte, wenn er von der kreativen Buchführung der mediterranen Völker sprach. Womit er nichts anderes meinte, als dass deren Finanzminister so lange an den nationalen Zahlen drehen und basteln würden, bis sie eurokonform seien. Damit solcher Betrug nicht folgenlos bliebe, erfand Theo Waigel die harten Stabilitätskriterien, über die Hans Eichel nun dauernd stolpert.

Ganz klar: Manche dieser Sanktionen sind kontraproduktiv. Wer begreift schon den Sinn von Strafzahlungen nach Brüssel, die ausgerechnet dann fällig werden, wenn ein Land drei Jahre hintereinander sowieso schon eine zu hohe Neuverschuldung aufweist. Aus welcher Kasse sollen die Strafen denn gezahlt werden, wenn der Sünder kein Geld übrig hat?

Wie auch immer: Weil die strengen Vorgaben von einem Deutschen stammten, ist es völlig klar, dass die Vertreter der anderen Nationen in der EU-Kommission nicht vergessen haben, welcher Herkunft der Quälgeist von einst war – und es jetzt den Deutschen ein wenig heimzahlen.

Wenn die Kommission will, lassen ihr der Maastricht-Vertrag und seine Protokolle Spielräume bei der Bewertung haushaltspolitischer Vergehen. Eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in einem Land gehört dazu, obwohl diese Formulierung nicht wörtlich benutzt wird. Mit dem Begriff operiert Hans Eichel ja auch innenpolitisch, um die nicht verfassungskonforme Neuverschuldung ansehnlicher zu schminken. Der eigentliche Auslöser des Brüsseler Missbehagens ist ein anderer, ein Kardinalfehler in der Betrachtung Eichels. Sein Satz, wonach es ohne ausreichendes Wachstum keine Konsolidierung gebe, ist nämlich weniger als die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte lautet: Wer Wirtschaftswachstum allein durch Schulden erreichen will, baut ein potemkinsches Dorf auf. Der Staat muss den finanziellen Spielraum der Bürger erhöhen, indem er seine Ansprüche an die Steuerzahler reduziert. Das heißt, zum Beispiel, Abbau von Subventionen und Steuerprivilegien.

Darüber reden wir in Deutschland und übrigens auch in Frankreich aber nur, während andere Länder der Euro-Zone längst tätig geworden sind. Wenn die Kleinen in Europa den Großen misstrauen, hat das schon seine Gründe. Sie fürchten, die würden Sonderrechte für sich beanspruchen. Aber beim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf.

Gerd Appenzeller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false