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Meinung: Harte Landung

Das Tempelhof-Volksbegehren könnte scheitern. Ein Desaster – für Friedbert Pflüger

Heute wird der Landeswahlleiter bekannt geben, wie viele Berlinerinnen und Berliner bisher das Volksbegehren zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhof unterstützt haben. 170 000 Unterschriften müssen – unter zugegeben schwierigen Bedingungen – bis zum 14. Februar zusammenkommen. Die letzte amtliche Zahl vor Weihnachten lautete: 120 597. Es ist fraglich, ob sie sich über die Feiertage sehr stark erhöht hat. Das bedeutet: Das Volksbegehren könnte scheitern.

Das wäre überraschend, weil das Vorhaben breite Unterstützung genießt. Die Zeitungen des Springer-Verlages warben mit allen publizistischen Mitteln dafür, CDU und FDP setzten sich genauso wie Wirtschaftsverbände für Tempelhof ein. Aber das reichte offenbar nicht, um die große Öffentlichkeit von dem Projekt zu überzeugen. Bei einer Forsa-Erhebung der „Berliner Zeitung“ meinten nur knapp 30 Prozent der Befragten, Tempelhof dürfe nicht geschlossen werden.

Bei einer großen Mehrheit der Menschen dieser Stadt verfängt die Parole nicht, Tempelhof müsse schon aus Dankbarkeit für die Luftbrücke offen gehalten werden. Entweder wissen die Bürger im Gegensatz zu den Initiatoren des Volksbegehrens ganz genau, dass die Rechtslage dies nach der Eröffnung von BBI auch gar nicht zulässt, oder sie haben verstanden, dass der Senat an das Ergebnis des Bürgervotums nicht gebunden ist.

Die Entscheidung über die Zukunft Tempelhofs (und Tegels) ist schon 1996 gefallen, als sich der damalige Senat auf eine Schließung der beiden innerstädtischen Flughäfen zeitnah zur Eröffnung von Berlin-Brandenburg International, BBI, in Schönefeld festlegte. Klaus Wowereit hätte zwar den Spielraum gehabt, Tempelhof bis zu diesem Termin, 2011 oder 2012, offen zu halten. Aber ärgern kann einen dabei bestenfalls seine Sturheit, sich dem zu verweigern. In einem Punkt hat auch er sich verrechnet – der Regierende Bürgermeister war überzeugt, eine Mehrheit der Berliner sei für das Offenhalten Tempelhofs.

Für Wowereit ist der Irrtum ohne Folgen. Für Friedbert Pflüger hingegen könnte er zum Desaster werden. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus hatte sich selbst zur politischen Speerspitze der Pro-Tempelhof-Bewegung gemacht oder gerne machen lassen. Mit deren Scheitern ginge ihm sein wichtigstes Thema verloren. Welche Bilder: hier Pflüger in Tempelhof vor einem Rosinenbomber – dort Wowereit in Schönefeld auf der BBI-Baustelle. Das war Vergangenheit gegen Zukunft, eine Konfrontation, die Pflüger alt aussehen ließ.

Zur Schadenfreude kann das kein Grund sein. Pflüger wollte die Berliner CDU wieder auf einen liberalen Großstadtkurs bringen und damit an jene Jahre der Ära Weizsäcker und des jungen Diepgen anknüpfen, in denen die Union in Berlin die politische Deutungshoheit hatte. Gegen das Wahlkampfpoltern eines Roland Koch nimmt sich die Berliner Stimme des Abwägens naturgemäß nur leise aus. Es sind schwere Zeiten für Friedbert Pflüger.

Gerd Appenzeller

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