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Hartz-IV-Satz: Die Grenze des Minimums

Kaum war das Urteil zu Hartz IV gesprochen, begann der Über- und Unterbietungswettlauf um das Existenzminimum. Das gefährdet die Durchsetzungskraft der gesamten Reform.

So schnell können die meisten Politiker das Karlsruher Hartz-IV-Urteil gar nicht gelesen haben, wie sie mit Empfehlungen zur Hand waren, was jetzt zu tun sei. Noch am Tag der Urteilsverkündung wurde verlangt, dass eine Reform zu „niedrigeren Regelsätzen führen sollte“ (der CDU-Arbeitsmarktexperte Peter Weiß). Es folgte die Forderung, dass Hartz-Sätze „regionalisiert werden sollen“ (CSU-Chef Horst Seehofer), und inzwischen geht Finanzminister Wolfgang Schäuble davon aus, dass das Urteil keine „Auswirkungen auf den Bundeshaushalt“ haben wird. Das alles geht verdächtig schnell, führt man sich noch einmal vor Augen, wie blamabel der Urteilsspruch für die politisch Verantwortlichen doch war. Schludrigkeit wurde ihnen von den Richtern unterstellt – und das in Zusammenhang mit dem Grundrecht der Menschenwürde, jenem Gut der Verfassung, das von allen die meiste Sorgsamkeit verlangt. Ein Gericht musste bemüht werden, um zu klären, welches Verhältnis der Staat zum Bürger hat, wenn es um dessen Existenz geht. Besonders würdevoll war das nicht. Ein kurzes Innehalten wäre so gesehen durchaus angemessen gewesen. Zwar verwarfen die Richter nur die Art und Weise, mit der das Existenzminimum bisher berechnet wurde. Aber das Urteil reicht aus, um die Reform bei böswilliger Betrachtung insgesamt in Misskredit zu ziehen.

Nun verlangt das Gericht, dass die „Regelleistungen in einem transparenten, einleuchtenden und sachgerechten Verfahren bestimmt werden“. Die Festsetzung von Leistungen müsse „auf der Grundlage schlüssiger Berechnungsverfahren“ erfolgen. Der derzeitige politische Unter- oder Überbietungswettlauf um das richtige Existenzminimum findet darin eine Grenze. Aus dem Urteil ist nämlich eines eindeutig herauszulesen: Die Würde des Menschen kann nicht ausschließlich danach bemessen werden, was finanzpolitisch opportun ist. Wer anderes suggeriert, schadet der Durchsetzungskraft der Hartz-Reform am allermeisten: Denn wie soll von einem Hartz-IV-Empfänger verlangt werden, dass er penibel seinen Pflichten nachgeht, wenn die Politik gerade zum zweiten Mal versucht, die Frage des menschenwürdigen Existenzminimums so zu behandeln, wie es ihr gerade passt?

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