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Meinung: Heilsamer SchnittZur Gesundheitsreform sind die Bürger bereit – und die Politik?

Von Cordula Eubel Überraschend: Die Deutschen sind mehrheitlich bereit, Einschnitte hinzunehmen, wenn dafür das Gesundheitswesen grundlegend reformiert wird. Drei von vier Bürgern verlangen von ihrer Krankenkasse nur die wirklich notwendigen Leistungen, ergibt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid.

Von Cordula Eubel

Überraschend: Die Deutschen sind mehrheitlich bereit, Einschnitte hinzunehmen, wenn dafür das Gesundheitswesen grundlegend reformiert wird. Drei von vier Bürgern verlangen von ihrer Krankenkasse nur die wirklich notwendigen Leistungen, ergibt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid. Konkret heißt das: Nicht rezeptpflichtige Medikamente, Naturheilmittel und Arzneimittel gegen leichte Erkrankungen würde eine Mehrheit der Bevölkerung aus eigener Tasche bezahlen. Freiwillig. Das ist überraschend. Der Ruf nach Reformen im Sozialstaat ist nicht ungewöhnlich. Aber normalerweise gilt: Wehe, es geht an den eigenen Geldbeutel!

Der Leidensdruck muss also nur hoch genug sein, damit dringend notwendige Reformen durchsetzbar sind. Die Emnid-Umfrage bestätigt das. Eine Erfahrung, die Bundeskanzler Gerhard Schröder schon bei der Reform des Arbeitsmarktes gemacht hat – wenn auch sehr spät. Die Akzeptanz der Vorschläge der Hartz-Kommission, so der Kanzler, sei deswegen in der Gesellschaft so hoch, weil vier Millionen Arbeitslose Alarmsignal genug sind. Doch Schröder vergisst: Das gilt auch für andere Bereiche des Sozialstaates, zum Beispiel das Gesundheitswesen.

Mit Tabuthemen gehen die Deutschen viel lockerer um als die Parteien im Wahlkampf. Für die Berechnung der Krankenkassenbeiträge auch Mieteinnahmen heranziehen? Kein Problem, sagen 42 Prozent der Befragten. Für ein umfangreicheres Leistungspaket auch mehr bezahlen – oder umgekehrt weniger Leistungen erhalten, wenn dafür der Beitrag sinkt? Vier von fünf Versicherten können sich mit diesem Gedanken anfreunden. Doch die Sozialdemokraten halten sich im Wahlkampf bei vermeintlich kritischen Themen vornehm zurück, und der Unions-Gesundheitsexperte Horst Seehofer macht einen Rückzieher nach dem anderen.

Am Tag nach der Wahl muss es also darum gehen, das in der Bevölkerung vorhandene Problembewusstsein aufzugreifen – und eine grundlegende Gesundheitsreform anzugehen. Der Wille zur Veränderung jedenfalls ist da, selbst wenn es dabei um Einschnitte und stärkere finanzielle Belastungen geht. Die Deutschen haben erkannt, dass die Politik zu wenig reformbereit ist. Jetzt muss nur die Politik noch erkennen, dass der Bürger nicht nur geschont, sondern auch gefordert werden kann.

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