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Henryk M. Broder: Festgenommen in Tempelhof

Alles wegen einer Digicam: Henryk M. Broder ist mitsamt seiner Linzertorte am Flughafen Tempelhof festgehalten worden. Seitdem weiß er ein Loblied auf die dortige Bundespolizei zu singen.

Flug 803 der Intersky von Graz nach Berlin verlief problemlos. Nur weil die Landung ein wenig rau war, kam meine Linzertorte in zwei Teilen in Tempelhof an. Ich setzte mich neben das Gepäckband und wartete auf meine zwei Taschen, die ich eingecheckt hatte. Nach etwa zehn Minuten fiel mir auf, dass sich nichts bewegte. Ich ging zum Intersky-Schalter, wo ein junger Mann im blauen Hemd so tat, als würde er arbeiten. Von ihm erfuhr ich, dass mein Gepäck im „Auslandsteil“ sei, während ich im „Inlandsteil“ wartete. Dazwischen liegen etwa zwanzig Meter und eine Sperre, die man nur in einer Richtung passieren kann. Ob mir jemand helfen könnte? „Sicher“, sagte der Mann, „aber erst, wenn die Maschine abgefertigt ist.“

Ich setzte mich hin und schaute meine Linzertorte begierlich an. Nach weiteren zehn Minuten ging ich wieder zum Intersky-Schalter. Diesmal war der junge Mann noch hilfsbereiter. „Ich bin nicht zuständig“, sagte er, „ich bin heute überhaupt nicht im Dienst.“ Ich wartete weitere zehn Minuten. Dann war eine halbe Stunde um, ein Drittel der Flugzeit. Ich packte meine Digitalkamera aus und ging wieder zum Intersky-Schalter. Der junge Mann freilich hatte keinen Ehrgeiz, für seinen Einsatz belohnt zu werde, er griff zum Telefon und rief die Polizei. Eine Minute später waren zwei Beamte der Bundespolizei da und baten mich, zur Dienststelle mitzukommen. Der junge Mann im blauen Hemd kam mit.

Einsatzleiter Müller (Dienstnummer E 109718) machte sich mit dem Fall vertraut und verlangte von mir die Herausgabe meiner Kamera, um die Bilder, die ich gerade gemacht hatte, zu löschen. Ich hätte, sagte er, mich strafbar gemacht, der junge Mann im blauen Hemd (den er duzte) sei keine Person öffentlichen Interesses. Der behauptete zudem, von mir beleidigt worden zu sein, konnte sich aber nicht mehr erinnern, wie und wodurch. Herr Müller von der Bundespolizei ließ sich meinen Personalausweis geben, kopierte ihn und verlangte noch einmal ultimativ die Herausgabe der Kamera, die ich ihm verweigerte. Für den Fall, dass ich mich vom Tatort entfernen würde, drohte er mit der Anwendung „unmittelbaren Zwanges“. Und weil ich nicht kooperierte, forderte er bei der Landespolizei Verstärkung an.

Ich rief meinen Anwalt an, der Einsatzleiter Müller darüber aufklärte, dass er im Begriff war, sich der Nötigung und Freiheitsberaubung im Amt schuldig zu machen. Herr Müller widersprach: Es gehe um eine „strafbare Handlung“, die er verhindern müsse. Inzwischen waren zwei Kollegen der Berliner Landespolizei eingetroffen; ich, meine Linzertorte und die Digi-Kamera waren von fünf Ordnungshütern umstellt. Nach einer knappen Stunde und einer weiteren Intervention meines Anwalts durfte ich gehen, ich musste nur versprechen, die Bilder nicht ins Internet zu stellen. Nach dieser Erfahrung rate ich von Flügen mit Intersky ab. Aber die Bundespolizei in Tempelhof kann ich jedermann nur empfehlen. Die tun was. Der Autor ist „Spiegel“-Reporter.

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