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Meinung: Ihr Feind heißt Demokratie Von Christoph von Marschall

Was ist das für eine Wahl: wenn die Wähler um ihr Leben fürchten müssen; wenn für drei Tage Grenzen sowie Flughäfen geschlossen und Fahrverbote verhängt werden; wenn große Teile einer ganzen Bevölkerungsgruppe den Urnengang boykottieren und vielerorts die Bürger die Kandidaten nicht kennen, weil die Parteien mit Einheitslisten für das Riesenland antreten und manche Namen aus Sicherheitsgründen bis zum letzten Moment geheim bleiben, um diese Menschen vor Attentaten zu schützen; und man zehn Tage auf das Ergebnis warten muss? Zugleich aber ist die Wahl im Irak am Sonntag die freieste und demokratischste, die die arabische Welt seit Jahrzehnten gesehen hat – zusammen mit der in den Palästinensergebieten vor gut zwei Wochen.

Was ist das für eine Wahl: wenn die Wähler um ihr Leben fürchten müssen; wenn für drei Tage Grenzen sowie Flughäfen geschlossen und Fahrverbote verhängt werden; wenn große Teile einer ganzen Bevölkerungsgruppe den Urnengang boykottieren und vielerorts die Bürger die Kandidaten nicht kennen, weil die Parteien mit Einheitslisten für das Riesenland antreten und manche Namen aus Sicherheitsgründen bis zum letzten Moment geheim bleiben, um diese Menschen vor Attentaten zu schützen; und man zehn Tage auf das Ergebnis warten muss?

Zugleich aber ist die Wahl im Irak am Sonntag die freieste und demokratischste, die die arabische Welt seit Jahrzehnten gesehen hat – zusammen mit der in den Palästinensergebieten vor gut zwei Wochen. Wo gibt es das in der Nachbarschaft, dass Frauen die gleichen Bürgerrechte erhalten wie Männer? Laut Umfragen wollen 80 Prozent der Iraker teilnehmen, obwohl sie wissen, dass Lebensgefahr droht. Was für eine Zivilcourage! So ist dieser Wahltag alles zugleich: eine Gefahr, eine Verheißung, ein Scheitern an unseren – westlichen – Maßstäben und ein Schrei nach demokratischer Freiheit.

Diese Umstände rücken die neue Welle der Gewalt in ein anderes Licht. Anschläge im Irak – da mag man kaum noch hinhören, weil doch jeder nur wie eine Bestätigung wirkt: dass der Krieg falsch war und auch danach so vieles schief gelaufen ist. Doch der Terror dieser Tage, daran lassen die Selbstbezichtigungen der Urheber keinen Zweifel, richtet sich nicht in erster Linie gegen die Besatzer. Die Terroristen sehen in der Wahl einen viel gefährlicheren Feind. Die Demokratie sei „teuflisch“, sie wollen „die Straßen mit dem Blut der Wähler säubern“. In diesem Kampf geht es nicht um Öl oder Besetzung, sondern um die Frage, ob auch Araber das Recht haben, sich ihre eigene Führung zu wählen – um ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und die Fremdherrschaft bald zu beenden. Die Despoten der Region fürchten, dass das gelingen könnte. Aber welcher Demokrat möchte es sehen wie sie?

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