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Meinung: In Freiheit – aber befangen

Von Charles A. Landsmann Die israelische Offensive "Operation Schutzwall“ ist praktisch zu Ende, Jassir Arafat frei.

Von Charles A. Landsmann

Die israelische Offensive "Operation Schutzwall“ ist praktisch zu Ende, Jassir Arafat frei. Demnach hat Ariel Scharon das zweitwichtigste Ziel seiner Militäraktion nicht erreicht. Im Gegenteil. Arafat, den er am liebsten ins Exil getrieben hätte, ist stärker denn je.

Dies gilt in Bezug auf seine Herrschaft über das palästinensische Autonomiegebiet ebenso wie für die internationalen Unterstützung seiner Ziele. Scharons Panzer haben George W.Bush die Sicht auf den künftigen unabhängigen Staat Palästina freigeschossen, von dem niemand, nicht einmal mehr Arafat, während langer Monate der so genannten zweiten Intifada mehr sprach und der nun offiziell erklärtes Ziel der Weltmacht USA ist.

Arafat wird sich jetzt an den Wiederaufbau seiner Herrschaft machen mit vielen Hilfsgeldern aus dem Ausland, die ohne die andernorts üblichen Fragen nach Demokratie und Menschenrechte fließen werden. Und auch in den Autonomiegebieten fordert die Opposition nur deklaratorisch Demokratie und stellt sich geschlossen hinter Arafat.

Der Palästinenserpräsident hat also an interner Macht und internationaler Aufmerksamkeit gewonnen, doch als potenzieller Verhandlungspartner ist seine Glaubwürdigkeit nach den jüngsten furchtbaren Terrorwellen dahin – weder Israel, noch die USA oder die EU geben derzeit etwas auf das Wort von Arafat. Wollte er also Verhandlungen, so müsste er deshalb zumindest versuchen, seine Glaubwürdigkeit wieder herzustellen und eine neue Terrorwelle verhindern. Er könnte dies tun ohne Gesichtsverlust, weil er nicht mehr amerikanischem Druck nachgeben müsste, sondern saudischen Wünschen entsprechen könnte. Washington und Riad haben sich auf eine Aufgabenteilung geeinigt: Die USA sind für Druck auf Israel, Saudiarabien für solchen auf die Palästinenser zuständig.

Dennoch ist nicht damit zu rechnen, dass sich Arafat so verhält. Vielmehr muss man, wie die israelischen Experten, davon ausgehen, dass nach einer ersten Aufbauphase der terroristischen Infrastruktur in anderthalb bis zwei Monaten Israel von einer neuen Terrorwelle überzogen wird. Bleibt diese aus, dann erst ließe sich sagen, dass Arafat erstmals seit langem nachgegeben hat.

Wahrscheinlich ist das nicht. Arafat will noch immer keinen Frieden, weil dessen Bedingungen aus seiner Sicht ungenügend sind, vor allem was das Rückkehrrecht für Flüchtlinge, die Jerusalem-Frage und wohl auch das Siedlungsproblem angeht. Der Palästinenserpräsident will eine Internationalisierung des Konflikts. Deshalb sein ständiger Ruf nach einer Uno-Schutztruppe und seine Zustimmung zu britischen und amerikanischen Bewachern der Zeevy-Mörder. Ariel Scharon kann dies nur recht sein. Zwar behauptet er, nächste Woche Bush in Washington endlich seinen längst überfälligen Plan zur Konfliktlösung vorlegen zu wollen. Doch auch er weicht Verhandlungen konsequent aus mit dem Hinweis, er führe solche nicht „unter Feuer“.

In Wahrheit ist Israels Regierungschef nicht bereit, den Palästinensern auch nur die geringste Konzession zu machen, vor allem nicht in territorialer Hinsicht, weil jedes Einlenken gegenüber den Palästinensern Scharon seinem Sturz näher bringen würde.

Denn während die moderatere, aber hilflose Arbeitspartei immer wieder mit ihrem Austritt aus der Regierungskoalition droht, haben die Subventionslisten ganz rechts außen diesen längst vollzogen. Nicht genug damit: Nachdem Scharon Arafats Freilassung auf amerikanischen Druck hin zustimmte, brachen die Supernationalisten ihre Rückkehrverhandlungen in die Regierung ab. Ihr Chef Avigdor Lieberman verkündet schon sehr selbstsicher: „Ich werde Scharon bis November gestürzt haben".

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