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Meinung: Internet World: Es kann nicht immer Revolution sein

Wo haben Sie ihren Muttertagsstrauß geordert? Wahrscheinlich beim Blumenhändler um die Ecke.

Wo haben Sie ihren Muttertagsstrauß geordert? Wahrscheinlich beim Blumenhändler um die Ecke. So machen es die meisten. Doch täglich 7000 bunte Sträuße für die Mütter wurden in Deutschland in der vergangenen Woche via Internet gekauft. Das erfordert zwei bis drei Mausklicks - Bezahlung inklusive - und geht bequem von zu Hause aus. Diese Bequemlichkeit nutzen auch immer mehr Bankkunden, zumal die Filiale um die Ecke vor einigen Monaten geschlossen wurde. Oder war es umgekehrt? Weil Electronic Banking sich durchsetzt, wird der Bankschalter überflüssig.

Zum Thema Online Spezial: Internet World 2001 Der neue Markt stürzt ab. Aber das Internet lebt. Das ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Der Kursrutsch deutet auf eine Übertreibung: Viel zu viele Firmen der neuen Branche wurden von den Börsen viel zu hoch bewertet. Aber aus der schrumpfenden Quantität darf kein qualitativer Fehlschluss folgen: Die Internet-Revolution wird nicht rückgängig gemacht. Doch immer kann nicht Revolution sein. Jetzt kommt Normalität - auf hohem Niveau: Dass die Messe "Internet World" in Berlin einen neuen Besucherrekord zählt, ist für das Niveau allenfalls ein schwaches Indiz. Dass die Branche auch in diesem Jahr zweistellig wachsen will, ist schon der stärkere Beweis.

Das Internet - vor wenigen Jahren galt es noch als Schnickschnack weniger Wichtigtuer. Unterdessen ist es zum alltäglichen und bequemen Handwerkszeug und Informationsmedium vieler geworden. Und es zahlt sich aus, für Verbraucher wie für Unternehmer. Die Verbraucher verschaffen sich den größeren Marktüberblick und wählen die für sie billigsten oder besten Produkte. Und die Unternehmen organisieren ihren Einkauf über Internetplattformen, über welche sich Material- und Bestellkosten in nennenswerter Höhe einsparen lassen. Die Deregulierung der Telekommunikation hat einen großen Anteil daran, dass der Web-Zugang heute für jedermann erschwinglich ist. Kaum ein Surfer schaut noch auf die Uhr.

Alle profitieren - bis auf die Internet-Unternehmen selbst. Bis heute ist die 1000-Mark-Frage offen: Wie lässt sich im Netz dauerhaft Geld verdienen? So viel Werbung gibt es gar nicht, wie es mittlerweile Internetportale gibt. So lange die Nutzer für Virtualität nichts zahlen wollen, ist im Web wenig Geld zu verdienen. Vielleicht ändert sich das einmal. Aber die Erwartungen waren lange übertrieben. Das hat vielen Firmen die Existenz und vielen Arbeitnehmern den Job gekostet. Doch die Branche lernt dazu - dass Misserfolg noch keine Katastrophe ist. Deutschland hat seinen Unternehmern lange Zeit das Recht auf eine zweite Chance versagt. Die gefallenen Helden der New Economy nehmen sich das Recht auf diese Chance. Zwar ist das Kapital für das nächste Wagnis heute klamm. Doch selbst das hat sein Gutes: Die Finanzierung einer Idee unterliegt strengen Kriterien.

Das Internet gibt dem Alltag eine neue Qualität. Ein Heilsbringer ist es nicht. Was wurde nicht alles versprochen: Ewiger Friede, ein Ende der Umweltbelastung und weniger Ungleichheit. Gewiss, mit dem Internet lassen sich Grenzen überschreiten. Das mag die Friedfertigkeit fördern. Gewiss, Electronic Shopping ist umweltschonender als die Autofahrt zum Supermarkt. Aber der Saldo ist noch offen, denn schließlich fressen Computer viel Energie. Gewiss, das Internet ist eine Bildungsagentur, und die Einebnung der digitalen Spaltung reduziert die Ungleichheit der Einkommen. Doch die Menschen selbst sind verantwortlich für ihr Leben und für ihre Politik. Nicht die Computer. Nicht das Internet.

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