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Meinung: Ist der Ruf erst ruiniert …

… kann Ex-Kanzler Gerhard Schröder für Gasprom tätig werden Von Jerzy Mackow

Als die Sowjetunion noch existierte, pflegten ihre Politiker die ausgewählten Vertreter der westlichen Eliten mit Sonderbehandlungen zu locken, um sie anschließend für eigene Zwecke instrumentalisieren zu können. Die Bundesrepublik, ihre Intellektuellen und Politiker wurden – häufig mit Erfolg – zum Ziel dieser Politik. Der russische Präsident Wladimir Putin kennt diese Methoden sehr gut und kann sie auch anwenden. Das letzte Beispiel: Gerhard Schröder.

Wir wissen nicht, was die Beweggründe des ehemaligen Bundeskanzlers waren, als er sich darauf einließ, der russischen Gaspipeline durch die Ostsee zuzustimmen. Möglicherweise hatte er das ökonomische Interesse Deutschlands im Auge, und zwar nach dem Motto: je mehr Energieabhängigkeit vom autoritären Russland, desto besser für mein Vaterland und die EU. Vielleicht wollte er nur seinem Freund Wladimir einen Gefallen tun. Schließlich ist nicht ganz auszuschließen, dass er bereits über seine Tätigkeit nach dem Ausscheiden aus dem Kanzleramt nachdachte – ein bisschen private Altersvorsorge in Zeiten von Hartz IV kann ja nicht schaden. Und vielleicht haben all diese Faktoren zusammen eine Rolle gespielt. Dass selbst diese letzte Erklärung eigentlich nicht dazu taugt, die Politik einer europäischen Großmacht zu erklären, verwundert ausgerechnet bei diesem Bundeskanzler kaum.

Nicht zum ersten Mal hat Schröder nun gezeigt, dass er sich mit einem Autokraten besser verstehen kann als mit Demokraten. Im Fall der Ostsee-Pipeline ließ er die demokratischen Regierungen der betroffenen Länder im Ungewissen, als er die Idee Putins, die Pipeline am Meeresboden zu legen, bereitwillig aufnahm. Selbst die Tatsache machte ihn nicht stutzig, dass dies wesentlich teurer sein wird als eine Gasleitung übers Land. Und dass der russische Präsident bei der Streckenwahl politische Ziele verfolgen mag, entzog sich dem Verständnis von Schröder offenbar total.

Dabei tut der Kreml seit einigen Jahren alles, um insbesondere die baltischen Staaten, Polen und – seit knapp einem Jahr – die Ukraine für die Unterstützung der demokratischen Kräfte in Osteuropa und eine prowestliche Außenpolitik zu bestrafen. Die Grenzen zu Lettland und Estland werden von Russland immer noch nicht anerkannt, die Fleischimporte aus Polen wurden gestoppt, im von Putin wieder verstaatlichten Fernsehen wird gegen diese Länder fast täglich polemisiert. Durch eine Politik von kleinen Provokationen – wie die Entscheidung über die Pipeline – wird zudem versucht, sie zu einer kritischen Reaktion zu bewegen, um ihnen dann den Stempel der „ewigen Feinde Russlands“ aufzudrücken. Es waren aber Anfang der 90er Jahre, als die Hoffnung auf eine Demokratie in Russland noch berechtigt zu sein schien, ausgerechnet diese Staaten, die sehr gute bis exzellente Beziehungen zu Russland hatten.

Es stimmt schon, dass Deutschland das souveräne Recht hat, mit jedem Land wirtschaftliche Beziehungen zu unterhalten, ohne auf Interessen anderer Rücksicht zu nehmen. Aber auch der litauische Staatspräsident Valdas Adamkus hatte Recht, als er während seines Besuchs beim Bundeskanzler im Oktober dieses Jahres offen die mangelnde europäische Solidarität Schröders beklagte und auf ökologische Gefahren des Ostseeprojekts hinwies. Und auch die Polen haben gute Gründe, sich über solchen nationalen Alleingang eines deutschen Sozialdemokraten zu wundern. Es ist zudem kein Zufall, dass etwa zeitgleich mit dem Baubeginn der Pipeline Russland die Preise für sein Gas, das die Ukraine – ein neuer Anwärter auf die Demokratie und auf Westintegration – importiert, auf mehr als das Doppelte erhöht hatte.

Das alles braucht Gerhard Schröder zum Glück nicht mehr zu wissen, von den großen europäischen Zusammenhängen ganz zu schweigen. Gönnen wir ihm eine gute Zusammenarbeit mit Gasprom!

Der Autor ist Professor für vergleichende Politikwissenschaft an der Universität Regensburg.

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