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Meinung: Jeder für sich, keiner für alle

Viel Taktik, aber keine Mehrheiten für Scharons Rückzugsplan in der Regierung

Ob Ariel Scharon auch nur Bruchstücke seines so genannten einseitigen Loslösungsplans umsetzen wird? Fest steht jedenfalls, dass er mit seinem Beharren auf der revidierten Fassung dieses Planes den Anfang vom Ende seiner nationalistisch-konservativen Regierung eingeläutet hat. Der Gazastreifen wird geräumt werden – früher oder später, eher durch einen Nachfolger Scharons als von ihm selbst. Möglich allerdings, dass dieser Nachfolger wieder Scharon heißen wird, sei es als Chef einer umgebildeten Regierung oder nach vorzeitigen Neuwahlen.

Am totalen Rückzug aus dem Gazastreifen und damit dem Präzedenzfall der erstmaligen Räumung von Siedlungen in den palästinensischen Gebieten kommt keine Regierung mehr vorbei, obwohl die Umsetzung noch nicht geschehen ist und auch ein Zeitpunkt dafür noch nicht festgelegt wurde. Scharon hätte eine ministerielle Mehrheit für die Räumung der drei isolierten Gazastreifen-Siedlungen zusammen, doch er beharrt auf seinem Plan, ohne Abstriche, höchstens mit minimalen taktischen Finten.

Nur: Der Bulldozer „Arik“ ist zu einem mickrigen Rasenmäher geschrumpft. Statt dass er die interne Opposition platt macht, fügt er ihr schmerzhafte, aber letztlich oberflächliche Stichwunden zu. Wichtigstes Opfer dieser Sticheleien ist Benjamin Netanjahu, Ex-Regierungschef mit unverhüllten Rückkehrambitionen, aber auch loyaler Finanzminister. „Bibi“ Netanjahu weiss die Mehrheit der Likud-Minister, -Abgeordneten und der Koalition hinter sich. Nicht nur in seiner Opposition gegen Scharons Loslösungsplan, sondern auch für dessen Nachfolge, sollte Scharon zurücktreten oder das Parlament aufzulösen versuchen.

Doch der clevere Netanjahu weiss auch, dass Scharons Attacken seinem Ansehen verheerenden Schaden zufügen können: Jeder im Gazastreifen getötete Soldat und jedes Terroropfer in Israel würde auf Netanyahus Konto gehen, falls er nicht zumindest einer symbolischen Siedlungsräumung zustimmt. Doch anderseits würde auch das eine Regierungskrise auslösen, weil die „Nationale Union“und die „Nationalreligiösen“ in die Opposition überwechseln würden. Derzeit versucht Scharon die Nationalisten in seiner Regierung zu bändigen, indem er deren Minister mit der sofortigen Entlassung droht. Dies wiederum würde ihn auf die versprochene Unterstützung der Arbeitspartei zurückgreifen lassen – sei es als neuer Koalitionspartner oder als fest zugesagtes „Sicherheitsnetz“ für Abstimmungen über seine Rückzugs- und Räumungspläne. Das ist der Albtraum aller Nationalisten, die dann die „totale Kapitulation vor den Terroristen“, den „Ausverkauf der Heimat ohne Gegenleistung“ befürchten.

Das Verfalldatum für die gegenwärtige Regierung ist zwar auf Tag und Monat schwer zu lesen, doch die Jahreszahl 2004 ist deutlich zu erkennen.

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