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Jugendkriminalität: Gewaltiger Unsinn

Lorenz Maroldt zur Diskussion über Jugendkriminalität: In der brodelnden Empörung über alles und nichts geht jeder halbwegs erfolgreiche Ansatz einer besseren Prävention und Verfolgung unter.

Im Mittelpunkt des Getöses um das angebliche Tabuthema Ausländerkriminalität – über das seit Jahren hemmungslos gestritten wird – stehen an diesem Wochenende zwei Fragen: Kann, soll, muss das Jugendstrafrecht verschärft werden? Das will die Union. Und kann, soll, muss ein Berliner Staatsanwalt mit seinen knallharten Thesen im Fernsehen reden? Das will dessen Vorgesetzter verhindern.

Die Diskussion über das Jugendstrafrecht bekommt einen bizarren Ton. Das liegt vor allem an jenen, denen die Gesetze reichen, also SPD-Chef Beck, Berlins Innensenator Körting, aber auch Innenminister Schäuble, und es liegt an ihrer Argumentation. Schäuble und besonders Körting greifen die Richter als lasche Allesversteher an, was als freie Meinung in Ordnung geht, aber wohlfeil und folgenlos ist. Beck schwadroniert darüber, dass Bund und Länder für eine „bessere Umsetzung“ der Gesetze sorgen könnten. Was schwebt ihm da vor? Will er Richter zu bestimmten Sprüchen zwingen? Urteile per Kabinettsbeschluss fällen?

Im Fall des Berliner Staatsanwalts Reusch, der nicht in einer Fernsehsendung diskutieren soll, folgt die nächste Ungeschicklichkeit. Formal, also beamtenrechtlich, ist das TV–Verbot korrekt. Öffentliche Äußerungen müssen vom Dienstherrn genehmigt werden, wegen eines angeblichen Verstoßes in einem anderen Fall läuft gegen Reusch ohnehin noch ein Disziplinarverfahren. Politisch passt Reusch mit seinen plakativ-radikalen Erkenntnissen der Justizspitze nicht in den Kram. Aber der tatsächliche Schaden, der durch seine Veropferung als wahrheitswissender Maulkorbträger entsteht, ist weit größer, als der angebliche Schaden durch seine freie Rede je sein könnte. So lebt die Legende vom Tabuthema weiter, während in der brodelnden Empörung über alles und nichts jeder halbwegs erfolgreiche Ansatz einer besseren Prävention und Verfolgung untergeht.

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