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Wahlkampfhilfe für Rot-Rot: Die neue Polizeistatistik zeigt ein scheinbar sicheres Berlin. Ob Wolf und Wowereit bei der Wahl davon profitieren können?

© dapd

Kampf gegen Kriminalität: Die da oben tun was - tun sie das wirklich?

Die neue Polizeistatistik macht sich gut für den Wahlkampf in Berlin. Doch über die Basis der Kriminalität sieht die Politik hinweg. Ein Kommentar.

Sie können, wenn sie müssen. Auch linke Politiker lassen bei der inneren Sicherheit nichts anbrennen. Sie mögen, wenn es um das große Ganze geht, das moralische Versagen des Einzelnen gern mit der Schuld der Gesellschaft begründen und entschuldigen. Doch wenn der Staat Härte zeigen will, stehen Sozialdemokraten gern dahinter; das war vom gusseisernen Gustav Noske bis zum granitenen Otto Schily so. Der Berliner Senat macht es gerade wieder vor – auf kommunalpolitischem Niveau sozusagen.

Einige brutale Überfälle in der U-Bahn, einige schwer verletzte junge Männer, halb totgeprügelt ohne Grund von aggressiven Rotten anderer junger Männer, das sich ausbreitende Gefühl, dass U-Bahnhöfe zu rechtsfreien – und lebensgefährlichen – Räumen geworden sind: Und siehe, es geschieht etwas. Polizei und Verkehrsbetriebe vereinbaren, demnächst wieder, wie früher mal üblich, gemeinsam als Doppelstreife die U-Bahnhöfe abzulaufen.

Das ist mehr als ein Beitrag zur Abschreckung. Das ist die Chance, die U-Bahnhöfe wieder für die zurückzugewinnen, die einfach nur ganz friedlich irgendwohin fahren wollen. So ähnlich war es auch vor acht, neun Jahren. Damals gab es große Aufregung über jugendliche Serientäter, die vierzig, fünfzig Mal festgenommen wurden, bevor sie von einem Jugendrichter verurteilt wurden. Die große Aufregung damals führte dazu, dass sich Polizei und Justiz zusammensetzten, das „Intensivtäterkonzept“ verabredeten und damit ein jugendkriminelles Phänomen einigermaßen unter Kontrolle bekamen.

Damals wie heute hat die Politik nicht agiert, aber sie reagierte immerhin: auf Empörung. Die Reaktionszeit in Sachen Doppelstreife jetzt ist sogar noch kürzer als vor Jahren bei den Intensivtätern – was ohne Zweifel daran liegt, dass die Berliner in fünf Monaten wählen dürfen. Eine Sicherheitslücke im Empfinden der Leute wird geschlossen – die da oben tun was.

Die neue, aktuelle Polizeistatistik gibt der Politik scheinbar recht: Berlin ist den Daten und Zahlen nach sicherer geworden. 2010 gab es weniger Straftaten als im Jahr zuvor. Ein „Tiefstand“ seit der Wende, jubeln die Statistiker. Insbesondere sagt die Statistik, dass es in Berlin weniger brutal zugeht. Sogar die Anzahl der Rohheitsdelikte vom Straßenraub bis zur schweren Körperverletzung hat abgenommen.

Das macht sich bestens als Botschaft ans Wahlvolk – „innere Sicherheit können wir mindestens so gut wie die CDU“. Dabei hat die Entwicklung vor allem demografische Gründe: Weniger junge Männer, das bedeutet ganz platt weniger Aggression. Passend zur alternden Bevölkerung haben die Polizeistatistiker mehr Tatverdächtige ab 60 ermittelt als im Jahr zuvor. Und zur fortschreitenden Gleichberechtigung der Mädchen und der Frauen passt, dass es 2010 mehr „weibliche Tatverdächtige“ gegeben hat als 2009.

Berlin ist keine unsichere Stadt. Aber es gibt eine Menge unsicherer Orte, an denen man seine Kinder oder greise Eltern nicht allein lassen würde. Es gibt Straßen und Plätze, die man zu Zeiten nicht meiden muss, aber meiden sollte. Der Umgang der Politik mit diesen Orten ist seit Jahren derselbe. Er bewegt sich unentschieden zwischen Sozialtherapie durch Quartiersmanagement und Ignoranz. So hat Berlin einen quartierweise verwahrlosten Zug bekommen. Den kann man den Touristen interessant reden. Doch Verwahrlosung ist die Basis für Kriminalität. Darüber sieht die Berliner Politik indes hinweg.

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