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30 000 Menschen besuchen bis zum kommenden Sonntag den Katholikentag in Mannheim.

© dapd

Katholikentag: Aus der Mode

Zum Katholikentag kommen die Unverdrossenen: Sie sind vorbildhaft und engagiert und glauben fest an ihre Kirche. Denn mit Sprunghaften lässt sich schwer Gemeinschaft bilden.

In den vergangenen Jahren war es nicht immer leicht, katholisch zu sein in Deutschland. Man musste zusehen, wie der Papst Rechtsausleger hofiert und sich fragen lassen, warum man bei einem Verein mitmacht, bei dem immer wieder Kinder geschändet werden. Die Wege zu Gottesdiensten werden länger, weil es zu wenig Priester gibt und zu viele Bischöfe, die meinen, Laien dürften die Verantwortung für den Blumenschmuck und die Kirchenfinanzen übernehmen, aber nicht mehr. Und dann kam auch noch der Papst und erklärte, dass die Deutschen viel Geld hätten, aber wenig Frömmigkeit.

Heute muss niemand in der Kirche sein, um gesellschaftlich gut angesehen zu sein. Nichts ist einfacher, als aus der Kirche auszutreten. Und doch gibt es immer noch erstaunlich viele Katholiken, die all die Skandale, Demütigungen und Verletzungen nicht abschrecken, die ihrer Kirche die Stange halten, auch wenn die Breitseite kommt. 30 000 von ihnen besuchen bis zum kommenden Sonntag den Katholikentag in Mannheim. Es sind die Engagierten, die fest daran glauben, dass ihre Kirche doch noch irgendwann Reformen angeht, die Unverdrossenen, die sich nicht entmutigen lassen und sogar noch einen „Aufbruch wagen“ wollen, wie das Motto des diesjährigen Christentreffens heißt.

Wie masochistisch ist das, könnte man fragen. Standhaft bleiben, auch wenn es schwierig wird, das ist ja ein bisschen aus der Mode gekommen. Es ist chic, mit 55 den Beruf aufzugeben; hat das Kind Probleme in der Schule, sucht man eben eine neue; läuft es in der Partnerschaft nicht rund, lässt man sich scheiden. Wer nicht flexibel ist, wird belächelt.

Aber auch für die Treuesten unter den Katholiken ist natürlich irgendwann eine Schmerzgrenze erreicht. Verläuft das Angebot an die Bischöfe, gemeinsam neu aufzubrechen, wieder im Sande, wächst nicht die Bereitschaft zu Reformen – und zwar zu solchen, die nicht Rom diktiert, sondern die gemeinsam erarbeitet werden –, dann werden in den kommenden Jahren vermutlich auch die Engagierten aufgeben. Das aber wäre ein Verlust. Denn das Beharrungsvermögen dieser unverdrossenen Katholiken ist durchaus vorbildhaft. Davon gibt es in unserer Gesellschaft nicht zu viel, sondern eher zu wenig. Und mit Sprunghaften lässt sich schwer Gemeinschaft bilden.

Sicher, auch in Kirchengemeinden, Vereinen und Parteien gibt es viel Neid und Intrigen. Da muss man nichts verklären. Aber oft sind es auch Orte, wo sich Menschen verantwortlich fühlen für andere, wo Nähe und Zuverlässigkeit gelebt wird, wo man nicht gleich zum Gehen aufgefordert wird, wenn es einem mal schlecht geht. Solche Orte, solche Gemeinschaften sind unverzichtbar für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Eine Versammlung von gehetzten Einzelgängern, die nur noch um sich selbst und ihren Vorteil kreisen, kann sich keiner ernsthaft wünschen.

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