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Meinung: Klare Verantwortung, schnelle Entscheidung

Was die Föderalismusreform leisten muss Von Dieter Hundt

Für mich ist erstaunlich, dass ein zentrales Reformvorhaben wie die Modernisierung der föderalen Ordnung in Deutschland fast ausschließlich in den Expertenzirkeln diskutiert wird. Dabei geht es hier um die grundlegende Neustrukturierung unseres Staates und um mehr Effektivität in den politischen Handlungen. Vermischte Zuständigkeiten, schwerfällige politische Entscheidungsprozesse und eine überbordende Bürokratie haben das Vertrauen in Politik und Staat sinken lassen. Innovationen und Investitionen bleiben dabei auf der Strecke.

Ziel einer Reform des föderativen Systems muss es sein, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten wieder klar zuzuweisen, Entscheidungsprozesse zu beschleunigen und das Subsidiaritätsprinzip zu stärken. Wir brauchen dezentral ausgerichtete Entscheidungsstrukturen, mehr Bürgernähe und die ausreichende Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten. Das erlaubt keine Halbherzigkeiten. Genau die sind aber zu befürchten. Momentan scheint sich die Arbeit der gemeinsamen Föderalismuskommission von Bundestag und Bundesrat im „Kleinklein“ zu verlieren.

Jetzt wäre Mut gefordert. Mut, um das Dickicht der verworrenen Zuständigkeiten zu entflechten. Dazu gehört, Gemeinschaftsaufgaben abzuschaffen. Sie verursachen komplizierte Zuständigkeiten und Mitspracherechte. Darüber hinaus erschweren sie inhaltliche und strategische Neuausrichtungen, wie das Beispiel der gemeinsam von Bund und Ländern getragenen Forschungsförderung zeigt. Heute entscheidet letztlich der Bund-Länder-Finanzierungsschlüssel über die Verteilung der Mittel, inhaltliche Erwägungen sind nebensächlich. Auch die Rahmengesetzgebung hat sich nicht bewährt: Der Bund bestimmt in vielen Fällen die Rechtslage so detailliert, dass den Landesgesetzgebern keine Abweichungen möglich sind. Das beste Beispiel hierfür ist das Hochschulrahmengesetz. Es greift wie beim Verbot von Studiengebühren viel zu tief in die Länder- und Hochschulautonomie ein.

Die Frage der Mitwirkungsrechte des Bundesrates bei der Gesetzgebung muss ebenfalls mit Priorität angegangen werden. Über 60 Prozent der Gesetzesvorlagen sind inzwischen zustimmungspflichtig. Die Verfassungsgeber hatten das Zustimmungsgesetz aber lediglich als Ausnahme vorgesehen. Es müssen deshalb Maßstäbe gefunden werden, die zu einer Reduzierung der Zustimmungsvorgänge führen.

Völlig unverständlich ist, dass bestimmte Themen bei der Kommissionsarbeit von vorneherein tabuisiert wurden. Das gilt insbesondere für die Neuordnung der Finanzverfassung. Nur rund vier Prozent des gesamten Steueraufkommens entsteht aus reinen Ländersteuern und noch geringer ist der Anteil aus der eigenen Gesetzgebungskompetenz. Hier muss Abhilfe geschaffen und die Steuerautonomie gestärkt werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Die Ebene, die ein Gesetz erlässt, muss auch die finanzielle Verantwortung tragen. Es gilt die Regel: Wer bestellt, zahlt. Unter dem Verstoß gegen diese Regel leiden heute vor allem Städte und Gemeinden.

Eine besonders fatale Wirkung entfaltet der derzeitige umfangreiche Länderfinanzausgleich. Diese Form der Gleichmacherei bestraft wirtschafts- und finanzpolitisch vernünftiges Verhalten. Das Gros der finanziellen Erfolge verschwindet im großen Ländertopf. Daran ändert im Grundsatz auch die 2005 in Kraft tretende Reform des Länderfinanzausgleichs nichts. Wir müssen dahin kommen, dass Ausgleichszahlungen nur dann erfolgen, wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet. Selbst dann stellt sich die Frage, ob es Aufgabe der anderen Länder oder nicht vielmehr der Bundesebene sein muss, hier tätig zu werden.

Damit eng verbunden ist die Frage, wie viel Wettbewerb wir unserem Föderalismus zutrauen. Ich sehe in einem effizienten und qualitätssteigernden Wettbewerb der Länder und Regionen die große Chance, vor allem für strukturschwächere Regionen, ihre Vorteile zur Geltung zu bringen und in der Wirtschaftskraft aufzuschließen. Damit wird der Föderalismus zum Treibsatz für Reformen und zu einem echten Standortvorteil im internationalen Kontext. Dadurch können gleichwertige Lebensverhältnisse besser hergestellt werden als mit einem starren Korsett der Bundesgesetzgebung. Dieses verhindert die oftmals notwendigen Flexibilitäten und Anpassungen an regionale Strukturen und wirtschaftliche Entwicklungen und zementiert bestehende Strukturen. Dort, wo das Aufholen im Wettbewerb nicht möglich ist, weil es aufgrund zu unterschiedlicher Ausgangsvoraussetzungen nicht gelingen kann, muss eine ehrliche Diskussion über neue Länderzuschnitte begonnen werden.

Dr. Hundt ist Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Foto: Caro

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