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Meinung: Kleine Fische, großer Filz

Ein winziges Stück Aufklärung: der Fall Aubis vor Gericht

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Sie heißen Klaus Wienhold und Christian Neuling: Der eine war Kriminalbeamter und CDU-Landesgeschäftsführer. Der andere war Prokurist eines Chemieunternehmens und CDU-Bundestagsabgeordneter. Jetzt stehen beide vor Gericht. Nicht, weil sie gemeinsam die Geschäfte der Firma Aubis geführt und sich von der Bankgesellschaft Berlin für waghalsige Immobiliengeschäfte 300 Millionen Euro gepumpt haben. Auch nicht, weil Wienhold dem damaligen CDU-Fraktionschef und Bankdirektor Klaus Landowsky in zeitlicher Nähe zu dem Kredit 20 000 Euro in bar als Spende übergeben hat. Eine Spende, die von der CDU gestückelt und an ihren Büchern vorbeigeführt wurde und – als dies öffentlich wurde – den größten Skandal der Berliner Nachkriegszeit ausgelöst hat.

Nein, die Geschäfts- und Parteileute Wienhold und Neuling stehen vor Gericht, weil sie Geld eines Leipziger Wärmelieferanten, der von überhöhten Energiepreisen profitierte, für Aubis abgezweigt haben sollen. Ein ziemlich langweiliger Nebenaspekt der Immobilien- und Bankenaffäre. Der vermutete Schaden: 800 000 Euro. Was ist das im Verhältnis zu den vielen Milliarden Euro, die für Fondsanleger und andere Freunde der Bankgesellschaft Berlin aus den Taschen der Steuerzahler noch bis 2030 abgezweigt werden? Nicht einmal Peanuts, möchte man sagen. Aber immerhin, die beiden Herren stehen endlich vor dem Kadi, weil diese Peanuts dem Strafrecht unterliegen. Das gilt für den großen Rest des Bankenskandals, so die Erfahrungen der letzten Jahre, leider nicht.

Wienhold und Neuling halten sich für Ehrenmänner. Für selbstlose Parteipolitiker und tadellose Geschäftsleute, die Opfer einer politischen Justiz geworden sind. In der Tat sind sie nicht die Schlüsselfiguren der Berliner Affäre. Sie sind ganz einfach die Personifizierung des alten Berliner Filz-Systems: Da verbanden sich unternehmerische Unfähigkeit, Großmannssucht, Macht- und Habgier mit krimineller Energie und parteipolitischem Klüngel zu einer giftigen, explosiven Mixtur. Dieser Sprengsatz hat eine sorglose Landesregierung mit sich gerissen und eine Reihe von Amts- und Würdenträgern hinweggefegt. Wienhold und Neuling wollten das nicht. Aber es war gut, dass es so kam.

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