zum Hauptinhalt

Meinung: König der Bürgerlichen

Von Sabine Heimgärtner Also, doch. Viele haben dem wieder gewählten französischen Präsidenten Jacques Chirac nicht geglaubt, dass er sich nach dem rechtsextremen Zwischenspiel in Frankreich wirklich an seine Worte hält, „Präsident aller Franzosen“ zu werden.

Von Sabine Heimgärtner

Also, doch. Viele haben dem wieder gewählten französischen Präsidenten Jacques Chirac nicht geglaubt, dass er sich nach dem rechtsextremen Zwischenspiel in Frankreich wirklich an seine Worte hält, „Präsident aller Franzosen“ zu werden.

Nun ist das alte neue Staatsoberhaupt tatsächlich über seinen Macht-Schatten gesprungen und hat immerhin einen ersten Kompromiss präsentiert: Zum Nachfolger des zurückgetretenen sozialistischen Regierungschefs Lionel Jospin ernannte Chirac mit Jean-Pierre Raffarin umgehend einen Kandidaten der Mitte, und zwar noch nicht einmal einen Mitte-Mann seiner eigenen Partei, sondern einen Liberalen. Das verheißt einiges. Zunächst: Chirac, der von vielen Linken als kalter Machtpolitiker angesehen wird, hat damit demonstriert, dass er sich seiner Position durchaus bewusst ist, nämlich nicht der eigentliche, der strahlende Sieger dieser Präsidentschaftswahlen zu sein.

Er hat offenbar seine Situation begriffen und versucht, sie, als seine Chance zu nutzen: das zwischen Alteingesessenen und Einwanderern, zwischen Etablierten und Ausgeschlossenen, zwischen Wohlhabenden und sozial Schwachen tief gespaltene Land zusammenführen zu müssen.

Er wird dies umgehend versuchen, mit Themen, die den Franzosen seit Jahren auf den Nägeln brennen: innere Sicherheit, Steuer- und Rentenpolitik. Viel kann diese Übergangsregierung bis zu den Parlamentswahlen im Juni ohnehin nicht machen, aber sie könnte Zeichen setzen. Der neue Premier ist ein Mann des Volkes, ein Provinzpolitiker, das Gegenteil eines Karrieristen, ein Arbeitstier. Von ihm wünscht sich der ehrgeizige Chirac, das Terrain für die Parlamentswahlen im Juni so vorzubereiten, dass die neue konservative Partei, die sich als Union von Chiraquisten und Liberalen zusammengetan hat, klar die Mehrheit in der Nationalversammlung erzielt.

Denn eine Vorstellung ist für Chirac der blanke Horror: eine neue Kohabitation, also wieder eine linke Parlamentsmehrheit, womöglich völlig zersplittert, die ihn dann noch mehr als schon während der letzten fünf Jahre mit Lionel Jospin zum Zaunkönig der wirklichen Politik machen würde, handlungsunfähig nämlich, im politischen Abseits, oder so, wie der Sozialist und Ex-Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn spottete: „Wie die Königin von England."

SEITEN 1 UND 6

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false