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Ursula Weidenfeld ist freie Publizistin. Die Ökonomin war Chefredakteurin der Zeitschrift "Impulse" sowie stellvertretende Chefredakteurin und Chefin des Wirtschaftsressorts des Tagesspiegels.

© Mike Wolff

Kolumne: Ein Zwischenruf zu den Muppets

Ein ehemaliger Mitarbeiter der Investmentbank Goldman Sachs berichtet, wie verächtlich Banker über ihre Kunden sprechen. Das ist keine Überraschung, meint unsere Autorin. Diese Art der Verachtung findet sich bei vielen Dienstleistern.

In dieser Woche hat sich eine Führungskraft der Investmentbank Goldman Sachs öffentlich verabschiedet. Greg Smith machte seine Kündigung in der New York Times bekannt. Er gehe unter anderem, weil er den Zynismus seines Arbeitgebers den Kunden gegenüber nicht mehr ertrage, schrieb er in seiner Anklageschrift. „Muppets“ sollen sie die Leute genannt haben, die ihnen ihr Geld zur Anlage anvertraut haben. Muppets, Vollidioten also, denen man die Augäpfel ausreißen solle, um noch mehr Geld zu machen. Herr Smith weist auf eines der wichtigsten Probleme in der modernen Dienstleistungsgesellschaft hin: mangelnder Respekt gegenüber den Kunden.

Je großartiger und unverwundbarer ein Unternehmen sich vorkommt, desto schwerer fällt es seinen Mitarbeitern, den Respekt zu bewahren. Goldman Sachs ist das Paradebeispiel dafür. Bank-Chef Lloyd Blankfein glaubt, als Investmentbanker auch nur „Gottes Werk“ zu verrichten. Da ist es kaum erstaunlich, dass sich auch die Führungskräfte und Mitarbeiter des Hauses irgendwann Göttern näher fühlen als den Kunden. Erstaunlicher ist, dass die Kunden sich das immer noch gefallen lassen. Goldman Sachs hat in den USA eine millionenschwere Strafzahlung akzeptiert, weil die Bank seinen Kunden kurz vor Ausbruch der Finanzkrise Anlagen aufgeschwatzt hat, die sie selbst für Schrott hielt. Gelernt hat das Haus daraus offensichtlich nichts. Dasselbe scheint für die Kunden zu gelten. Die allermeisten sind geblieben. Diese Treue hat den Goldman-Sachs-Leuten offenbar vor allem eins gezeigt: dass sie echte Muppets vor sich hatten.

Wahrscheinlich haben Banker ihren Kunden gegenüber genau so wenig Respekt wie Ärzte für ihre Patienten, oder Autoreparaturwerkstätten für Wagenbesitzer. In der Asymmetrie der Beziehung liegt für beide Seiten eine Versuchung. Die Versuchung für den überlegenen Part heißt Arroganz, die für den unterlegenen ist das wohlige Gefühl, sich nicht verantwortlich fühlen zu müssen. In der Medizin haben inzwischen viele erkannt, dass sich aus diesem Gefälle eine besondere Verantwortung ergibt. So weit sind viele Dienstleister noch nicht. Die Kunden einer Bank oder eines Autohauses haben die Wahl: Sie müssen nicht wiederkommen. Daran sollten sich die Muppets gelegentlich erinnern.

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