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Meinung: Kolumne: Und was mache ich jetzt?

Nun ist Herr Putin wieder abgereist, aber immer noch spüren wir jenes leise Entzücken, das so viele während seiner Rede im Bundestag übermannte. Herr P.

Nun ist Herr Putin wieder abgereist, aber immer noch spüren wir jenes leise Entzücken, das so viele während seiner Rede im Bundestag übermannte. Herr P. sprach deutsch, sanft modulierend und mit weicher Stimme. Dass es auswärtige Staatsoberhäupter gibt, die nicht bloß "Ich bin ein Berliner" sagen können, sondern unsere Sprache richtig beherrschen - es macht einen seltsam froh, warum nur, warum?

Ein Russe, scherzend und lächelnd! Man denkt an Chruschtschow, der 1960 vor der UNO seinen rechten Schuh auszog, damit auf dem Rednerpult herumhämmerte und die Vollversammlung anschrie, die große Sowjetunion könne Bomben in Massen und "Raketen wie Würstchen" produzieren und damit eine Fliege im Weltall treffen - im übrigen werde die Mehrheit der Anwesenden im nächsten Weltkrieg getötet. Man denkt an Jelzin, der nach einer Bypass-Operation aufwachte und als erstes fragte:"Wo ist mein Atomköfferchen?" Der bei einem Besuch in Schweden 1997 mit schwankender Stimme über die vielen Opfer im letzten russisch-schwedischen Krieg sprach - es war aber seit mehr als 150 Jahren zwischen Russen und Schweden kein Schuss gefallen. Man denkt an Breschnew und Andropow und Gromyko. All die finsteren Gestalten, vor denen wir uns so fürchteten. Wie sagte Helmut Qualtingers Wiener Kabarettfigur Travnicek, nach einem Moskau-Besuch gefragt, ob ihm die Russen nicht unheimlich gewesen seien? "Anfangs schon... I kumm an die Grenze. Was siech i? Lauter Russen". - "Ja, was habenS denn erwartet? - "Man waaß ja, dass in der Sowjetunion lauter Russen sind: Aber dass sie sich gleich zeigen..."

Und nun: ein Russe, scherzend und lächelnd. Fünf Jahre lang hat er in Deutschland gelebt - und immer noch mag er uns. Wer soll da nicht überwältigt sein?! Man denkt an Vladimir Nabokov, der von 1922 bis 1937 hier lebte, als Emigrant in Berlin allerdings, nicht als Agent. Später schrieb er über die "groben und stinkenden Deutschen" in einem Brief: "Der gemeine Schweiß dieses misslungenen Volkes ist unvergessen. (Na ja, das war 1942. Wenige fanden das deutsche Volk damals besonders gelungen.)

Herr P. sagte: "... erlaube ich mir die Kühnheit, einen großen Teil meiner Ansprache in der Sprache von Goethe, Schiller und Kant, in der deutschen Sprache, zu halten". Tags darauf sprach vom gleichem Pult in der Haushaltsdebatte Herr Glos von der CSU und warnte den Kanzler, es werde ihm nicht gelingen, "Ihre Fehlleistungen unter den Teppich des Terrorismus zu kehren". Und der Abgeordnete Irmer von der FDP rief, er sehe "schon die weißen Leintücher zusammen mit dem tief verwurzelten Anti-Amerikanismus aus den Fenstern baumeln". Ist nun klar, warum wir so froh sind über das Deutsch des Herrn Putin?

Axel Hacke

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