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Kommentar: Antifa-Eva

Und ewig lockt der Nazivergleich: Was der Fall Herman über unseren Umgang mit der Vergangenheit sagt.

Nazivergleich, Empörung, Entschuldigung. Dass es am Ende dieser ewiggleichen deutschen Dynamik zur Überreaktion kommt, gehört zum Schema: Die Fernsehmoderatorin Eva Herman hat gesagt, im „Dritten Reich“ sei „vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler“, einiges aber auch gut „zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter“; sie verliert darauf ihren Job; Renate Künast (diesmal nicht Claudia Roth) fordert dennoch einen Boykott des neuesten Herman-Buches, und die Vorsitzende des Zentralrats der Juden verkündet, dass Eva Herman ihren Job zu Recht verliert; die wiederum fühlt sich missverstanden, entschuldigt sich aber.

Eva Herman, und das macht ihren Fall interessanter als den des klassischen Nazivergleichers, der eben mal sagen wollte, was sich sonst keiner zu sagen traut, liest für die Hörspielreihe „Laut gegen Nazis“ Texte von Erich Kästner. Sie ist, wie es heute heißt, Demokratin und zeigt nicht nur als Fernsehmoderatorin ihr Gesicht.

Kein Wunder also, dass ihr das „Dritte Reich“ in den Kopf kam, Voraussetzung für den antifaschistischen Einsatz ist es vermutlich, das „Dritte Reich“ stets im Kopf zu haben. Doch Herman hinkt mit ihrem Versuch, die „Wertschätzung der Mutter“ aus den Klauen der Nationalsozialisten zu befreien, der Zeit hinterher. Der gesellschaftliche Zusammenhang hat sich verändert: Deutschland verhält sich längst so, als ob nicht alles schlecht gewesen war im „Dritten Reich“. Immer mehr gesellschaftliche Themen werden aus ihrem vermeintlich nationalsozialistischen Kontext, der sie lange zum Tabu gemacht hat, herausgelöst. Dieses Phänomen wird seit einigen Jahren gemeinhin als Normalisierung beschrieben und ist kaum umstritten.

Die Familie ist lediglich das jüngste Politikfeld, an dem man diesen Prozess nachvollziehen konnte: Die Debatte, die seit einiger Zeit in Deutschland geführt wird, wäre noch vor nicht einmal 20 Jahren als faschistisch und NPD-nah gebrandmarkt worden. Die Forderung nach mehr deutschen Kindern hätte vor wenigen Jahren niemand ungestraft erheben können. Heute gilt das nicht als reaktionär, sondern wird, als Vorschlag zur Rettung der deutschen Sozialsysteme, zu einem geradezu progressiven Politprojekt. Wer heute in Deutschland mehr Kinder fordert, ist kein nazistischer Arierzüchter, sondern sitzt im Bundestag.

Bei anderen Themen ist es ähnlich. Wer die deutsche Sprache reinhalten und Gesetze gegen den angloamerikanischen Sprachimperialismus fordert, ist zwar nationalistisch, vom Verfassungsschutz wird er deshalb trotzdem nicht überwacht.

Der Kontext gesellschaftlicher Debatten in Deutschland hat sich ganz offenbar verändert. Dass Eva Herman noch immer den Nationalsozialismus als intellektuellen Referenzpunkt ins Spiel bringt, ist deshalb nicht Ausdruck einer neuen Geschichtsvergessenheit, sondern der alten deutschen Geschichtsbesessenheit. Die Familienpolitik ist da unbefangener.

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