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Kommentar: Ein Zwischenruf zum Integrationsverbot

Barbara John darüber, dass in Deutschland mehr als 100.000 Ausländer abgehängt werden.

In den vergangenen Wochen war oft die Rede von Integrationsverweigerern. Was darunter zu verstehen ist, blieb das Geheimnis derer, die absichtsvoll Gerüchte in die Welt setzen, ohne Beweise zu liefern. Was es allerdings wirklich gibt, und zwar in Gesetzesform gegossen, das ist ein staatliches Integrationsverbot. Es richtet sich gegen mehr als 100 000 Ausländer, darunter viele Kinder, die seit mehr als acht Jahren in Deutschland leben und keinen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis haben. Meist sind es abgelehnte Asylbewerber oder Bürgerkriegsflüchtlinge. Sie sollen freiwillig in ihr Herkunftsland zurückkehren, tun es aber nicht oder werden durch deren Behörden daran gehindert. Und eine Abschiebung lässt sich nicht durchsetzen. Also werden sie amtlich „geduldet“. Eine verzwackte Situation und eine belastende für alle Seiten. Sie bekommen keine Arbeit, keine Lehrstelle und leben deshalb vom Staat. Es ist ihnen nicht erlaubt, sich frei in Deutschland zu bewegen.

Die Frage lautet also nicht mehr, ob sie bleiben oder zurückkehren. Es geht nur noch um die Umstände des Bleibens: auf Dauer abgehängt oder integriert? Um das Dilemma zu mildern, wurde vor knapp drei Jahren eine neue, komplizierte „Altfallregelung“ erlassen. Die meisten Antragsteller, etwa 27 000, erhielten damals eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe. Und die läuft am Jahresende aus. Können sie bis dahin nicht nachweisen, dass ihr Lebensunterhalt durch Arbeit gesichert ist, werden sie, nein, nicht abgeschoben, das gelingt ja nicht, aber sie verlieren die Arbeit und die rechtliche Sicherheit. Wer beschäftigt schon einen nur kurzfristig Geduldeten? Und was wird aus verzweifelten Menschen?

Was ist das für ein verkorkstes Gesetz, das Menschen erlaubt, hier dauerhaft zu existieren, ihnen aber gleichzeitig verbietet, sich zu integrieren?

Um eine Verlängerung des Bleiberechts kommt die neue Regierung nicht herum. Das allein reicht aber nicht. Warum wird bis auf den Cent vorgeschrieben, wie viel Euro verdient werden müssen, um die begehrte Erlaubnis zu erhalten? Warum reicht es nicht, nachzuweisen, dass kein Sozialgeld bezogen wird, wie es vor Jahren noch praktiziert wurde? Ein Land, das gesetzlich geregelt hat, geduldete Ausländer lieber mit Sozialhilfe zu versorgen, statt ihnen freizustellen zuerst auch mit wenig, aber selbstverdientem Geld rechtlich sicher hier zu leben, zeigt politisches Unvermögen in Integrationsfragen.

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