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Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) will das Punkteregister in Flensburg vereinfachen.

© Reuters

Kontrapunkt: Neues Verkehrsregister: Einfach ist nicht unbedingt gerecht

"Einfacher, wirkungsvoller und akzeptierter", sei die Neuregelung des Flensburger Verkehrsregisters, sagt Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Und ja, einfacher ist es, aber auch deutlich ungerechter und schärfer.

Es ist ein weit verbreiteter Trugschluss, dass einfache Dinge immer gleich besser sind. Zwar ist Einfachheit sicherlich kein Makel und es gibt in unserem Leben wahrlich viel zu wenige Dinge, die wirklich einfach sind. Aber es gibt eben auch Dinge, die aus gutem Grund nicht simpel gestrickt sind. Unser Bildungssystem ist so ein Beispiel. Es soll möglichst jedem Schüler die Bildungschancen eröffnen, die er verdient und die er auch erfüllen kann. Ein Gegenbeispiel ist das Steuerrecht, wo etwas mehr Einfachheit wünschenswert wäre. Hier geht es aber nicht um Gerechtigkeit. Denn unser Steuerrecht ist deshalb so komplex, weil es jedem Bürger recht gemacht werden soll. Davon leben aber Heerscharen von Steuerberatern und Juristen, die das bisschen, was uns der Staat zurückgibt, sofort auffressen. Deshalb macht das Ganze so keinen Sinn.  

Bei den Flensburger Punkten verhält sich die Sache ähnlich. Jedes Vergehen wird, nach seiner Schwere gewichtet, mit einer Anzahl von Punkten bestraft. Kleine Sünden, im Amtsdeutsch Ordnungswidrigkeiten genannt, bringen keine oder nur wenige Punkte. Richtige Straftaten, wie das Fahren unter starkem Alkoholeinfluss etwa, werden mit vielen Punkten belegt. Bis zu acht Zähler können schwere Vergehen bringen. Wer das zweimal macht, der ist mit 16 Punkten schon recht nahe am Führerscheinentzug. Aber der Lappen ist deshalb noch nicht weg.

Wenig Mitleid mit "Rasern"

Was Verkehrsminister Ramsauer uns jetzt als Reform des Flensburger Punkteregisters verkauft ist in der Sache eine Verschärfung der Regeln. Das ist gut kaschiert und wird ordentlich vom ADAC flankiert, das hat der Minister bereits im Vorfeld abgesichert. In der Sache ist es aber unbestreitbar. Durch die Reform wird die Vergabe von Punkten verschärft, sprich Vergehen härter bestraft. Und die Punkte sind deutlich schwerer wieder zu tilgen. Dieser Umstand wurde bei der Vorstellung nur nebenbei erwähnt.

Das ist grundsätzlich auch nicht verwerflich, wenn man das Kind beim Namen nennt. Mit den "Rasern", wie der Volksmund Temposünder nennt, gibt es gesellschaftlich wenig Mitleid. Wahrscheinlich zurecht, denn die Zahl der Verkehrstoten ist im letzten Jahr zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder gestiegen. Wahrlich ein guter Grund die Strafen zu verschärfen.

Oft steht viel auf dem Spiel

Gerechter wird das System aber durch Ramsauers Reform nicht und daher wird auch des Verkehrsministers Wunsch nach mehr Akzeptanz kaum in Erfüllung gehen. Bei den meisten schweren Tempoverstößen als Beispiel geht es für die Beschuldigten um viel. Nicht wenige sind bei einem Führerscheinentzug nicht mehr in der Lage ihrem Beruf nachzugehen. Andere trifft die Geldstrafe von meist mehreren tausend Euro besonders hart.

Die Verkehrsrichter, die solche Fälle entscheiden müssen, sind in den letzten Jahren abgestumpft. Sie lassen sich fast nichts mehr in ihrem Urteil abbringen und haben zusammen mit dem Gesetzgeber alle Schlupflöcher für Temposünder und verschlossen. Wer rast, muss zahlen und auch vor dem Fahrverbot gibt es eigentlich kein Entkommen. Nicht mit Geld und nicht mit guten Worten.

Gleiches Vergehen ungleich härter bestraft

Was der Punkteregelung nach der Reform Ramsauers abgeht, ist die Möglichkeit zur Feinjustierung. Mit der Frage, ob ein Delikt mit drei oder vier Punkten geahndet wird, geht eine Einstufung des Vergehens einher, die jetzt nicht mehr abgebildet wird. Drei Punkte gibt es für Geschwindigkeitsübertretungen zwischen 26 und 30 Stundenkilometer innerorts. Künftig wird es dafür schlicht zwei Punkte geben und vier solcher Vergehen haben unwiderruflich den Entzug der Fahrerlaubnis zur Folge. Wer vorher vier mal drei Punkte sammelte war vom Fahrverbot noch weit entfernt und hatte mit etwas Vorsicht nach zwei Jahren wieder eine reine Weste. Nach der Reform wird die Verjährung fünf Jahre dauern. Das gleiche Vergehen wird also deutlich härter bestraft.

Es gibt auch gute Dinge, die die Reform mit sich bringt. Warum zum Beispiel das Einfahren in eine Umweltzone bisher mit einem Punkt in Flensburg bestraft wurde, hat sich so gut wie niemandem erschlossen. Aber was uns in der Sache hier mit mehr Einfachheit verkauft wird, ist in Wahrheit eine klare Verschärfung des Verkehrsrechts. Das ist nicht unredlich, aber das Kind sollte auch beim Namen genannt werden.

ADAC geschickt eingespannt

Besonders geschickt von Ramsauer war allerdings der Schachzug, den ADAC von vorneherein mit ins Boot zu holen. Der gewichtige Münchner Autoclub ist einer der wenigen potenziellen Gegner einer solchen Reform. Die ADAC-Leute dürfen sich hingegen nun brüsten Bundesgesetze mitgeschrieben zu haben und unterstützen die Reform auch noch auf all ihren medialen Kanälen. Einfach genial für Ramsauer, denn gegen den Club mit seinen rund 18 Millionen Mitgliedern ist sein Plan kaum durchsetzbar. Fragwürdig ist dabei beides, dass der ADAC in unserem Land Gesetzesvorschläge schreibt und dass er sich dabei auch noch vor den ministeriellen Karren spannen lässt.

Eine Verschärfung des Strafenkatalogs hätte es derzeit recht schwer gehabt. Erst vor drei Tagen veröffentlichte der Hannoveraner Verkehrspsychologe Karl Voss eine Studie, die belegt, dass die Blitzerei der Verkehrssicherheit kaum dienlich ist. Gerade wenn die unfallträchtigsten Gruppen, nämlich junge Leute zwischen 18 und 22 Jahren, unterwegs sind wird nicht geblitzt. Die Kommunen haben schlicht Geschmack daran gefunden ihre klammen Kassen mit dem Blitzergeld aufzufüllen. Auch das ist nicht unredlich, wenn auch nicht im Sinne des Gesetzes. Man sollte nur dazu stehen und das Ganze nicht mit dem Mäntelchen der Verkehrssicherheit verkleiden. Das wäre einfacher und wirkungsvoller. Mehr Akzeptanz würde das wohl auch nicht bringen, aber man kann ja nicht alles haben.

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