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Fifa-Präsident Joseph Blatter (l.) und Franz Beckenbauer, Chef des Organisationskomitees der WM 2006

© dpa

Korruptionsvorwürfe vom Fifa-Boss: Blatters Sommermärchen

Joseph Blatters Korruptions-Vorwürfe gegen die deutschen WM-Organisatoren von 2006 sind nur ein verzweifelter Versuch, von den eigenen Machenschaften abzulenken, meint unser Autor. Retten kann die Fifa nur noch eine umfassende Reform.

Muss das sein? Dieser Sommer ist verregnet genug; jetzt wird noch der Sommer der Erinnerungen weggespült. Jene Wochen, in denen sich Deutschland so leicht anfühlte wie ein fliegender Fußball und in denen selbst Berliner Taxifahrer den Gästen aus aller Herren und Frauen Länder freundlich auf Denglisch weiterhalfen. Der Sommernachtstraum 2006 als Schlüssel eines neuen Deutschlandbildes in der Welt – alles nur ein Märchen, alles nur gekauft? So sagt es Joseph Blatter, Chef des Fußball- Weltverbandes Fifa, dessen hochherrschaftliche Zentrale in Zürich im Korruptionssumpf zu versinken droht und der nun mit dem Finger zurückzeigt auf das Land, dessen Fußballfunktionäre ihm den Rücktritt nahelegen. Muss diese Schlammschlacht (passend zur gerade in Finnland ausgetragenen Sumpffußball- WM) sein? Ja, weil sie mehr über die Fifa und ihre Art, Weltmeisterschaften zu vergeben und zu veranstalten, erzählt als über den deutschen Traumsommer.

Sportliche Großveranstaltungen sind eine wertvolle Ware, die Sportverbände meistbietend verhökern. Dabei geht es nicht allein um Handgelder: Für den Sport soll etwas rausspringen (seine Weiterentwicklung, seine Verbreitung), für Sponsoren auch, für zahlende Fernsehanstalten, für die Verbände natürlich. Oft genug springt noch für Funktionäre etwas heraus – wie sich jetzt bei der Fifa nachweisen lässt, wo Mitte der Neunzigerjahre sogar der damalige Präsident Joao Havelange Schmiergelder angenommen hat; wie man auch bei der Vergabe der WM 2014 an Brasilien gut sehen kann, wo Brasiliens langjähriger Fußballherrscher Ricardo Teixeira die eine Hand als Fifa-Funktionär und die andere als WM-Organisator aufhielt. Blatter wusste all das, hat es geduldet, vielleicht befördert, um Funktionäre gefügig und später abhängig zu machen. Es ist sein System.

Die Chronik der Ereignisse und Vorwürfe rund um die Fifa in Bildern:

Zur Wahrheit gehört: Die deutsche Bewerbercrew um Franz Beckenbauer hat für ihre WM-Kampagne 2006 den Globus bis hinunter nach Samoa bereist und dabei alle politischen und wirtschaftlichen Register gezogen. Zur Wahrheit gehört auch: Den deutschen WM-Organisatoren hat man bisher ebenso wenig Korruption nachweisen können wie Blatter selbst. Trotzdem: Joseph Blatter muss zurücktreten. Denn der Verband, an dessen Spitze sich der 76 Jahre alte Patriarch seit 14 Jahren mit undemokratischen Mitteln hält und den er steuer- und transparenzsparend in der Schweiz als Verein angemeldet hat, ist eine große Geldbeschaffungs- und womöglich sogar Geldverschiebeanlage. Blatters Beschwören von Transparenz und Ethik ist angesichts der intransparenten Strukturen der Fifa ein Märchen, nicht nur im Sommer.

Die Fifa berät heute in Zürich über neue Ethikregeln. Doch nur eine Reform von Grund auf kann diese Organisation, die mehr Mitgliedsländer als die UN hat, retten. Bei den Fans zumindest in Europa ist die Fifa längst auf Ramschniveau abgerutscht – insbesondere nach der schon wegen der Doppelvergabe nach Betrug stinkenden Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Katar und Russland (das sich schon unter seltsamen Umständen die Olympischen Winterspiele 2014 im Sommerbadeort Sotschi sicherte). Trotz massiver Vorwürfe ist hier nichts aufgeklärt. Es ist ja nicht mal geklärt, wie in der Wüstenhitze von Katar überhaupt gespielt werden soll.

In zehn Tagen beginnen die Olympischen Spiele in London. In einer Metropole von Welt, an der Wiege vieler Sportarten will sich der Sport neu erfinden. Gut, dass die Fifa nicht mitspielt.

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