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Auch über die "Wippe", das Berliner Einheitsdenkmal auf dem Schloßplatz, gibt es immer wieder Streit. Wegen der dort gefundenen Bodenmosaike oder auch wegen einer Fledermausart, die im Sockel nistet. Zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit 2015 wird sie nicht eingeweiht werden.

© BBR/dpa

Ärger um Einheitsdenkmal in Berlin: Kulturpolitik als Kunst des Verschaukelns

Peinliche Entwürfe, Fledermäuse, Bodenmosaike – immer wieder kommen neue Gründe hinzu, warum aus dem Einheitsdenkmal nichts wird. Vielleicht ist es einfach noch zu früh für die Riesenwippe. Denn Denkmäler sind an der Zeit, wenn das Vergessen droht.

Und hier wieder eine Folge aus unserer beliebten Serie „Warum aus dem Berliner Einheitsdenkmal nichts wird“. Erst waren es die Bananen, die peinlichen oder komischen Entwürfe des offenen Wettbewerbs 2009. Kulturstaatsminister Bernd Neumann musste die Notbremse ziehen. Dann war es Sasha Waltz, die 2012 aus dem Projekt ausstieg, mit einem sechsstelligen Betrag für ihren Anteil am Siegerentwurf. Für die begehbare Waagschale auf dem Schloßplatz wollte sie offenbar eine Eleganz, die finanziell und technisch schwer zu realisieren ist. Jetzt sind es die Fledermäuse. Und die Bodenmosaike. Und der behindertengerechte Zugang.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagt: Jetzt aber dalli, Berlin ist am Zug. Das Land Berlin sagt: Der Bund als Bauherr muss entscheiden. Und das Bundesamt für Bauordnung und Raumwesen teilt mit: Wir führen nur aus, fragen Sie die Kulturstaatsministerin. Hin und her, auf und ab. Und immer schön Fachgespräche führen.

Eröffnungstermin 2015 kaum noch zu halten

Kulturpolitik als Kunst des Verschaukelns, einschließlich diverser Verschleppungstaktiken: dass auch der Eröffnungstermin zum 25. Jahrestag der Einheit 2015 kaum noch zu halten ist, wie Grütters jetzt warnt, verdankt sie ihrer eigenen Behörde. Die Sache mit den Wasserfledermäusen, die das Gewölbe des Kaiser-Wilhelm-Denkmalsockels zum Nisten brauchen, ist seit Jahren bekannt. Auch die kostbaren historischen Mosaike hat das Landesdenkmalamt nicht erst gestern entdeckt. Und wer, wenn nicht der federführende Bund, ist Chef des Verfahrens? Grütters’ Berlin-Schelte, ein Bumerang.

Will sie überhaupt noch jemand, die Riesenwippe gegenüber dem Schlossportal? Diese je nach Publikumsverkehr auf und ab schwingende Schale, die an den bewegten Bürger von 1989 erinnern soll? Die Debatte ist das Denkmal, hieß es schon nach dem Bundestagsbeschluss 2007. Wie wärs mit dem Brandenburger Tor, das seit seiner Öffnung an der einstigen innerstädtischen Ost-West-Grenze die Einheit denkbar eindrucksvoll symbolisiert? Was ist mit den Mauergedenkstätten? Passt das eigentlich, die Feier der friedlichen Revolution auf dem Fundament eines monarchischen Reiterstandbilds? Alles schon hundertmal in die Waagschale geworfen, ohne dass gewichtige Gegenargumente aufgetaucht wären.

Ein Denkmal braucht Distanz

Auch die Heldenstadt Leipzig kommt mit ihrem Denkmal nicht weiter. Per Gericht gekippter Wettbewerb, Querelen im Stadtrat, Bürgerunmut – die Einheit sät Zwietracht. „Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“, zitiert die Leipziger Pro-Denkmal-Initiative Victor Hugo. Umgekehrt wird ein Clou draus: Nichts ist schwächer als ein Denkmal zur Unzeit.

25 Jahre nach dem Mauerfall ist die deutsche Einheit noch lange nicht Geschichte. Auf und ab, hin und her: Auf Ostalgie-Komödien folgten Stasi-Dramen, Fluchthelfer-TV-Movies wechseln mit DDR-Retros und Mauer-in-den-Köpfen-Podien. Dissidenten, Da-Bleiber, Mauerkinder, sie haben sich noch viel zu erzählen. Wenn sich etwas verändert hat seit 1989, dann der Ton. Die Diskussionen sind persönlicher geworden, biografischer, privater. Jetzt ist die Zeit der Nahaufnahmen: bei der Gauck-Debatte, bei Merkels FDJ-Vergangenheit, bei den Familientreffen von Ossis, Wessis, Wossis. Was genau das war, 40 Jahre Teilung und der Herbst ’89, darüber verständigen sich die Deutschen bis heute. Leidenschaftlich, ratlos, erbittert, höchst lebendig. Schlussstrich ist noch lange nicht.

Ein Denkmal hingegen braucht die Distanz, den Wechsel vom Perfekt ins Imperfekt. Das ist die Lehre aus dem Denkmal-Debakel: Geschichte muss offenbar Patina ansetzen, bevor eine Gesellschaft ihr Standbilder widmet oder eine Waage im Zentrum der Hauptstadt. Denkmäler sind an der Zeit, wenn das Vergessen droht. In Leipzig mehren sich die Stimmen, die für eine Einweihung zum 50. Jahrestag des Mauerfalls werben.

Danke, Fledermaus, möchte man in Berlin jetzt seufzen. Soll das Flattertier aus der Familie der Glattnasen doch nisten, so lange es will. So lange die deutsche Öffentlichkeit nicht weiß, was sie will. Mit der Einheit, dem Tierschutz und dem Bodenschmuck aus der guten alten Kaiserzeit.

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