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Meinung: Leichtmatrose sucht Tiefgang

In diesem Jahr wird sich entscheiden, ob Westerwelle die FDP zu erneuern vermag

Von Antje Sirleschtov

Cornelia Pieper hat ein Defizit im deutschen Bildungsföderalismus ausgemacht. Mehr Gestaltungsmacht für den Bund fordert deshalb die Generalsekretärin der FDP. Womit sie sich durchaus auf der Höhe der aktuellen Pisa-und-Föderalismus-Debatte und allemal in der Mitte der Diskutierenden befindet. Mut zur starken These gezeigt hat sie also, die Generalin der Liberalen. Auch wenn der Parteichef selbst ihren gesamtstaatlichen Bildungsansatz für zentralistisches, heißt wettbewerbsfeindliches, Teufelszeug hält. Muss man Frau Pieper deshalb aber gleich wortgewaltig ihren Posten streitig machen?

So stolz, wie die FDP auf ihre Tradition sein kann – es ist jetzt weit mehr als 100 Jahre her, seit sich ihre Vorgänger zum ersten mal im Januar in Stuttgart zum Dreikönigstreffen versammelten – so schwer hat es die Parteiführung gerade jetzt, sich selbst und der Öffentlichkeit überhaupt noch zu erklären, was das in diesen Tagen eigentlich sein soll, das Liberale. Und wenn es denn einer politischen Kraft bedarf, die Eigenverantwortung und bürgerliche Werte zu ihrem Auftrag macht, wozu man dazu ausgerechnet diese Partei benötigt und warum man sie wählen soll. In einer Zeit, in der sich sozialdemokratische Reformer offensiv zur Verantwortung des Einzelnen bekennen, Unternehmer scharenweise grün wählen und Christdemokraten den modernen Spagat zwischen Wettbewerb und Sozialstaat suchen. Was bleibt dieser FDP da schon, als öffentlich in Personalstreitereien ein inhaltliches Profil vorzutäuschen?

Auch und vielleicht gerade deshalb wird dies für Guido Westerwelle ein wichtiges Jahr werden. Eines, in dem er sich einem Prozess nicht wird entziehen können, den die Vorsitzenden aller anderen Parteien zum Teil sehr schmerzlich durchmachen mussten und noch immer müssen – dem Prozess der Erneuerung. Nach innen und außen. Auch der FDP-Chef wird Antworten finden müssen auf die Frage, wie die deutsche Gesellschaft etwa mit der Globalisierung, mit der Alterung und mit internationaler Terrorgefahr umgehen will. Programmatik also. Und sie ist bitter nötig. Für die Liberalen selbst, die bei allen regionalen Schattierungen verbindende Botschaften brauchen, hinter denen sie sich versammeln können. Aber auch für die Wähler, die die FDP benötigt für ihr Ziel, nächstes Jahr in eine Regierungskoalition einzuziehen. Leichtmatrosen nannte man Westerwelle und die seinen noch vor kurzem. Tiefgang gilt es deshalb nun zu erlangen und Glaubwürdigkeit. Ein libertäres Feigenblatt braucht eine unionsgeführte Regierung nicht mehr. Marktwirtschaftsverteidigenden Apothekenschützern traut man nicht. Und politische Spaßmacher sind megaout. Was also will diese FDP für Deutschland leisten?

Bis zum Kölner Bundesparteitag im Mai will sich Westerwelle entscheiden, mit welchem Team er die FDP 2006 in den Wahlkampf führt. Einen neuen Stellvertreter braucht er wegen des Abgangs von Walter Döring auf jeden Fall, einen Nachfolger für den verstorbenen Günter Rexrodt im Amt des Schatzmeisters sowieso. Genug Spielraum also für den Parteichef, eine Programm- mit einer Personaldiskussion zu verbinden.

Jeder in der Parteiführung wird sich neu bewerben müssen, hat Westerwelle kurz vor dem Dreikönigstreffen gesagt. Danach in Köln wird die FDP also zeigen können, worum es ihr inhaltlich und damit auch personell geht. Wie viel bedeutet regionaler Proporz, welchen Einfluss behaupten die alten Hasen im Präsidium? Sich jetzt schon mal mit der Kompetenz der Generalsekretärin Pieper auseinander zu setzen, ist allemal ein guter Auftakt. Zumindest ein liberaler.

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