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Meinung: Alle haben verloren

Zum Fall EmmelyAuch ohne die genauen Details dieses Falles zu kennen, ist offensichtlich, dass die Angelegenheit für alle Beteiligten ein Super-GAU ist. Für „Emmely“, weil sie ihre Existenz verloren hat.

Zum Fall Emmely

Auch ohne die genauen Details dieses Falles zu kennen, ist offensichtlich, dass die Angelegenheit für alle Beteiligten ein Super-GAU ist. Für „Emmely“, weil sie ihre Existenz verloren hat. Für den Staat, weil er wieder eine Hartz-IV-Empfängerin mehr zu versorgen hat. Für unsere Gesellschaft, weil wieder ein Stück Glauben an die Gerechtigkeit in diesem Land verloren ging, wenn es geltendes Recht sein soll, dass der blosse Verdacht einer Unregelmäßigkeit ausreicht, jemanden fristlos zu kündigen.

Und die Firma Kaiser’s („Hier schlägt das Herz“) dürfte ein ernstes Imageproblem haben, denn auch wenn sie vor Gericht Recht bekommen hat, bleibt der Eindruck, hier entledigte man sich mit dubiosen Methoden einer gewerkschaftlich engagierten Mitarbeiterin.

Ich finde, es stände den Verantwortlichen bei Kaiser’s gut zu Gesicht, Gnade vor Recht ergehen zu lassen.

Man könnte „Emmely“ doch eine zweite Chance geben, es muss ja nicht unbedingt als Kassiererin sein.

Christian Otto, Berlin-Schöneberg

Natürlich, vergleicht man das Urteil mit Herrn Zumwinkel oder den Zuschüssen des Staates an die Banken, könnte man die Angelegenheit als ungerecht empfinden, aber wir sind nun einmal eine Klassengesellschaft. Allerdings sollte man bekanntlich Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Natürlich hat das Arbeitsgericht zu Recht entschieden, denn Verkäuferinnen und Kassiererinnen im Speziellen genießen ein besonderes Vertrauensverhältnis. Ich selbst bin in einem kleinen Büro tätig und verwalte die „Handkasse“. Wenn ich beispielsweise zehn Euro herausnehme und für 9,97 Euro einkaufe, dann lege ich die drei Cent natürlich wieder zurück und rechne ordnungsgemäß ab.

Wer von seinem Arbeitgeber diese Vertrauensstellung bekommt, muss sich der auch würdig erweisen. Man muss das ganz ja nicht mal auf ein Arbeitsverhältnis betrachten, würden einen Freunde oder Bekannte oder der Partner Geld entwenden (und wenn es nur 1,30 Euro wären), wäre man auch über diesen Menschen enttäuscht.

Und dann ist noch die Frage der Verhältnismäßigkeit. Wie sollen denn die Gerichte entscheiden? Ist Unterschlagung von 50 Cent noch in Ordnung? Oder erst ab fünf Euro unzumutbar? Nein, jeder muss sich korrekt verhalten, sonst funktioniert es nicht. Und betrachten wir die Sache doch einmal umgekehrt, hätte der Arbeitgeber der Kassiererin einfach mal und ohne Begründung 1,30 EUR vom Lohn abgezogen, hätte die Kassiererin mit Sicherheit nicht gesagt „ach, dass ist doch nur ein kleiner Verlust“, nein, sie wäre mit Pauken und Trompeten vor das Arbeitsgericht gezogen und sie hätte mit Sicherheit Recht bekommen, über alle Instanzen. Also sollte man auch nicht immer gleich schreien „Klassenjustiz“, das erscheint mir zu einfach.

Anett Zang, Berlin-Mitte

Rechtlicher Grund für die Entlassung ist das „gestörte Vertrauensverhältnis“ zur Angestellten Emmely. Tatsächlich scheint das „Vertrauensverhältnis“ zu der gewerkschaftlich aktiven Kassiererin schon durch die gewerkschaftlichen Aktivitäten während des vorangegangenen Arbeitskampfes gestört gewesen zu sein – die geschilderten Umstände sprechen dafür. Die Pfandbonunterschlagung in Höhe von 1,30 Euro hält dann her für die Trennung von einer Mitarbeiterin, die nicht im Sinne des Arbeitgebers tickte. Der fahle Geschmack bleibt: gewerkschaftliche Tätigkeit scheint mittlerweile gefährlich zu werden.

Otto Eigen, Berlin-Kladow

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