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Meinung: Beleidigungen bleiben oft straflos

„Du mich auch – Fast 20 000 Anzeigen wegen Beleidigung gab es 2006 in Berlin“ von Sebastian Bartels vom 30. November Sämtliche Fälle von Beleidigungen, mit denen ich zu tun hatte, wurde von der Amtsanwaltschaft mangels öffentlichen Interesses eingestellt und die Beleidigten wurden auf den Privatklageweg verwiesen.

„Du mich auch – Fast 20 000 Anzeigen

wegen Beleidigung gab es 2006 in Berlin“

von Sebastian Bartels vom 30. November

Sämtliche Fälle von Beleidigungen, mit denen ich zu tun hatte, wurde von der Amtsanwaltschaft mangels öffentlichen Interesses eingestellt und die Beleidigten wurden auf den Privatklageweg verwiesen. Dagegen spricht Folgendes: Der Beleidigte, der ja der Geschädigte ist, muss zunächst den zuständigen Schiedsmann ausfindig machen. Sodann muss er diesem, nachdem er schon bei der Polizei eine Strafanzeige aufgegeben hat, den Sachverhalt nochmals schriftlich unterbreiten und einen Kostenvorschuss einzahlen. Zum Sühneversuch muss dann zum zuständigen Schiedsmann, entscheidend ist der Wohnsitz des Täters, nicht des Opfers, angereist werden. Der Schiedsmann versucht dann, nach dem Motto „Nun vertragt euch doch und gebt euch die Hände“ die Sache beizulegen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Geschädigte, nicht der Täter, Zeit (ca. fünf bis 15 Stunden) und Geld aufwenden müssen, wenn er nicht die Sache auf sich beruhen lassen will. Der Geschädigte ist also zusätzlich geschädigt. Wenn der Geschädigte sich auf die Verbrüderung nicht einlässt, erhält er eine Erfolglosigkeitsbescheinigung und darf „Privatklage“ erheben. Er muss, anstelle der Amtsanwaltschaft, eine Anklageschrift verfassen und einreichen. Viele Betroffene müssen damit einen Anwalt beauftragen. Sodann findet eine Hauptverhandlung statt, zu der Geschädigter und Anwalt hinfahren müssen.

Wer richtig ärgern will, der beleidige. Die ganzen obigen Strapazen kann er dann dem Geschädigten zusätzlich auferlegen. Man kann auch versuchen, bei dem Schiedsmann sich nur aufgrund eines Vergleiches auf eine Erledigung einzulassen, etwa dergestalt, man selber sei jetzt viele Stunden mit der Sache befasst gewesen, dies solle der Täter wiedergutmachen, z. B. mindestens ebenso viele Stunden für den Geschädigten aufwenden. Für den Fall, dass der Täter dies nicht macht, kann man eine Vertragsstrafe vorsehen. Nicht nur, dass man häufig die Vertragsstrafe einklagen muss (Kosten, Zeit, s. o.) der Geschädigte trifft dann ebenso wie bei dem Schiedsmann auf Richter, die irrig annehmen, der Geschädigte wolle sich doch nur bereichern. Das Schiedsverfahren ist mithin für derartige Dinge gänzlich ungeeignet.

Dr. Ernst Bitterhoff, Berlin-Kaulsdorf

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