zum Hauptinhalt

Meinung: Der Generationenvertrag benachteiligt die Jugend im Osten

„Innerdeutsche Rentenfrage“ vom 26. September 2004 Wenn Richard Schröder behauptet, dass die Erzählung vom reichen OstRentner eine Erfindung des Westens sei und auf statistischen Verzerrungen beruhe, täuscht er sich über das Ausmaß der Begünstigung von Ost-Rentnern.

„Innerdeutsche Rentenfrage“ vom 26. September 2004

Wenn Richard Schröder behauptet, dass die Erzählung vom reichen OstRentner eine Erfindung des Westens sei und auf statistischen Verzerrungen beruhe, täuscht er sich über das Ausmaß der Begünstigung von Ost-Rentnern. Er täuscht sich aber auch über das Ausmaß an ökonomischer Belastung, welche dadurch vor allem im Osten für die jüngere Generation entstanden ist.

Grundlage für die Rentenberechnung ist das in der DDR bezogene Einkommen. Dieses überstieg die Produktivität in der DDR, was sich in alltäglichen Versorgungsengpässen ausdrückte. Als Folge der niedrigen Produktivität musste überdies das Erwerbspersonenpotenzial in der DDR vollständig ausgeschöpft werden, wodurch Frauen wie Männer – im Gegensatz zum Westen – eine vollständige „Rentenbiografie“ aufweisen. Nach der Wiedervereinigung wurde aber für die Rentenberechnung nicht, wie es ökonomisch gerechtfertigt gewesen wäre, die niedrige DDR-Produktivität zugrunde gelegt, sondern (aufgrund der 1:1-Währungsumrechnung) unterstellt, dass dem Nominaleinkommen im Osten eine Produktivität auf West-Niveau in gleicher Höhe entsprochen hätte. Dies geschah aufgrund der irrtümlichen Annahme, dass sich in kurzer Zeit eine hochproduktive Wirtschaft im Osten aufbauen ließe. Generell basiert der Generationenvertrag des Rentensystems darauf, dass die arbeitende Generation in ihrer Arbeitsphase einen volkswirtschaftlichen Kapitalstock aufbaut, den sie den Jüngeren „übergibt“; diese verfügen dann über verbesserte ökonomische Möglichkeiten, Einkommen zu erwirtschaften, aus denen die Renten bezahlt werden. Diesen Teil der Leistung des Generationenvertrags haben die Ost-Rentner im Gegensatz zu ihren Altersgenossen aus dem Westen aber systembedingt nicht erfüllt – sie konnten den Jüngeren nicht mehr als eine verfallene Wirtschaft überlassen. Die jüngere Generation wird dadurch mehrfach belastet: Sie muss aus ihrem Einkommen öffentliche und private Investitionen in erheblichem Umfang tätigen, d. h. zuerst eine wettbewerbsfähige Wirtschaft von Null aufbauen, gleichzeitig aber hohe Renteneinkommen finanzieren. Vor allem im Osten bezahlt dies die jüngere Generation mit niedrigen Einkommen, Unterbeschäftigung und deshalb mit einem niedrigeren Rentenniveau für sich selbst – bis hin zu der Möglichkeit eigener Altersarmut.

Prof. Dr. Gerhard Wegner, Erfurt

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false