zum Hauptinhalt

Meinung: Die Kirchen haben ihre Bedeutung verloren

Zum Streit um das Pflichtfach Ethik an Berliner Schulen Offensichtlich unterschätzt die Berliner SPD bei ihrem Kurs gegen den Religionsunterricht die Zahl der Wähler, die aus christlich geprägter sozialer Verantwortung die SPD in der Vergangenheit gewählt haben. Die Leitbilder Gustav Heinemann und Johannes Rau sind offenbar längst vergessen.

Zum Streit um das Pflichtfach Ethik

an Berliner Schulen

Offensichtlich unterschätzt die Berliner SPD bei ihrem Kurs gegen den Religionsunterricht die Zahl der Wähler, die aus christlich geprägter sozialer Verantwortung die SPD in der Vergangenheit gewählt haben. Die Leitbilder Gustav Heinemann und Johannes Rau sind offenbar längst vergessen. Die Drangsalierung der Kirchen wird der SPD in Zukunft weiter schwindende Wählerzahlen bescheren, denn ein erheblicher Teil ihrer Wählerschaft wird sich enttäuscht von ihr abwenden.

Dr. Friedrich Warnecke,

Berlin-Wilmersdorf

Wenn jetzt Stimmen aus der SPD für ein Pflichtfach ab der ersten Klasse laut werden, soll dieser Vorschlag wohl als Position gegen einen Religionsunterricht in Stellung gebracht werden. Tatsächlich ist aber gerade diese Idee – ein Pflichtfach Ethik ab der ersten Klasse – ein Hauptinteresse des Vereins „Pro Reli“. Nach dessen Vorschlag soll Ethik ja ein Wahlpflichtfach werden. Für eine Wahl muss man jedoch Alternativen haben, und ob in der bekanntlich nicht gerade hochreligiösen Stadt Berlin immer hinreichend Schülerinnen und Schüler aus den verschiedenen Religionen und Konfessionen vorhanden sind, um an einer Schule die Einrichtung mehrerer eigener parallel stattfindender Fächer zu rechtfertigen, kann sicherlich infrage gestellt werden. Zumindest wo dies nicht der Fall ist, würde dann Ethik zur Pflicht auch für die religiösen Schüler. Soll da vielleicht eine gemeinsame Initiative vorbereitet werden? Oder geht es gar nicht um die Schülerinnen und Schüler sondern um ideologische Rechthaberei?

Klaus Eberl, Berlin-Marienfelde

Nun soll also auch langfristig das bisher vielfältige Angebot weltanschaulicher und konfessioneller Bildung in den Grundschulen zunächst eingeschränkt und dann wohl auch gänzlich verschwinden. Wird damit nicht eine Kulturpolitik fortgesetzt, wie sie in der DDR praktiziert wurde? Dort wurde der Religionsunterricht 1951 verboten.

Eigentlich können sich die Initiatoren des Volksentscheids „Pro Reli“ über diese Initiative nur freuen. Jetzt müsste allen Eltern klar werden, unsere gegenwärtige Regierung will bestimmen, welches Orientierungswissen in der Schule gelehrt wird. Diese politische Absicht unterstreicht, was an den Oberschulen längst Praxis ist. Durch eine deutliche Verschlechterung der Ausführungsverordnung wird immer mehr der weltanschauliche Unterricht an den Rand gedrängt. Alle Äußerungen zu Beginn der Diskussion über die Einführung des Faches Ethik, SPD und PDS hätten nichts gegen einen weltanschaulichen und religionskundlichen Unterricht, erweisen sich jetzt als eine plumpe Taktik.

Ulrich Kressin, Berlin-Heiligensee

Die Glaubensausübung und -vermittlung sollte in den Betstätten der jeweiligen Religionen stattfinden. Dann brauchten die Schüler nicht aus dem Klassenverband heraus zu verschiedenen Religionsvermittlungsstunden zu gehen, sondern könnten sich in ihren religiösen Stätten zusammenfinden, um in ihrer Religion unterrichtet zu werden. Ich bin Mitglied in einer christlichen Kirche.

Helga Götzner, Berlin-Spandau

Basis aller Religionen ist Glaube. Die meisten glauben, „ihre“ sei die einzig richtige und vermitteln entsprechend einseitige Wertvorstellungen. Kann konfessioneller Unterricht anders sein? Wie die weltweite Zersplitterung der Konfessionen belegt, wird es wohl keine Einigung geben.

Warum wird nicht über ein gemeinsames Pflichtfach „Religionen und Ethik“ nachgedacht? Hier könnten abwechselnd Lehrer aller Konfessionen Religion und Ethik jeweils nacheinander für einige Wochen unterrichten. Dadurch würde ein objektives und vielschichtiges Lebensbild vermittelt. Gemeinsame Diskussionsrunden mit allen Schülern und Lehrern könnten den Unterricht abrunden und zu mehr Verständnis und Akzeptanz führen.

Klaus-Dieter Poppek,

Berlin-Lichterfelde

Wer möchte, dass sein Kind mit christlichen Werten aufwächst, ist selbst dafür verantwortlich und lebt diese mit seinem Kind auch schon vor dem Schuleintritt. Warum sind denn die Kindergottesdienste am Sonntagvormittag so wenig besucht? Hier geben sich Menschen große Mühe, schon kleinen Kindern behutsam christliche Werte zu vermitteln. In der gesamten Grundschule gibt es ja dann noch den Religionsunterricht. Meine Tochter (7.Klasse), die zurzeit weiß Gott nicht gerade lerneifrig ist, besucht dennoch freiwillig und gerne den Religionsunterricht. Vielleicht weil ihre Schule so klug ist, diesen in die Mitte und nicht an den Rand des Stundenplans zu legen. Vielleicht auch weil der Lehrer nett ist und die Themen interessant. Da wir doch alle zu Recht den Werteverfall beklagen (wie gehen Jugendliche mit Alten um, mit Behinderten, was bedeutet für sie Toleranz etc.) ist es doch eben so wichtig, dass alle Schüler in den Ethikunterricht gehen. Mit der DDR und Zwang und Staatsbürgerkunde hat das überhaupt nichts zu tun.

Julia Nogli, Berlin-Steglitz

Die Kirchen sind längst geistig tot und haben dadurch in unserer Gesellschaft ihre Bedeutung verloren. Die Schuld wird jetzt mal wieder bei den bösen Kommunisten gesucht. Was aber beide Systeme – Kirche und Kommunismus – in ihrem unversöhnlichen Hass miteinander verbindet, ist der krasse Widerspruch zwischen Theorie und Praxis.

So ist auch mal wieder bezeichnend, dass sich die Kirchen jetzt lautstark engagieren, wo es um eigene Belange, um den drohenden Verlust von Privilegien geht. Ein solches Engagement der Kirchen zugunsten der Armen und Rechtlosen habe ich leider noch nicht erlebt. Wie kann es z. B. sein, dass Politiker, die sich christlich nennen, anderen Menschen in diesem Land einen zum Leben notwendigen Mindestlohn verweigern wollen?

Natürlich sprechen die Kirchen in dem einen oder anderen „Wort zum Sonntag“ auch mal gesellschaftskritische Themen an. Aber man hat sich inzwischen in diesem Land daran gewöhnt, dass auf solche Worte zum Sonntag keine Konsequenzen, keine Taten folgen. Zwischen Politikern und Kirchenleuten gibt es da offenbar einen Konsens, mit dem beide Seiten bis heute gut gelebt haben: Die Kirchenleute belassen es bei einer rhetorischen Staatskritik à la „Wort zum Sonntag“ und die Politiker sorgen im Gegenzug dafür, dass die zahllosen Privilegien und milliardenschweren staatlichen Subventionen an die Kirchen aufrechterhalten werden.

Ralf Böhm, Berlin-Buckow

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false