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Meinung: Ein Terrorist schert sich nicht um Flugverbote

„Kleinflugzeug vor dem Reichstag zerschellt“ vom 23. Juli 2005, „Absturz vor dem Reichstag: Pilot wollte sterben“ vom 24.

„Kleinflugzeug vor dem Reichstag zerschellt“ vom 23. Juli 2005, „Absturz vor dem Reichstag: Pilot wollte sterben“ vom 24. Juli 2005, „Nur Hobbyflieger müssen einen Bogen um die City machen“ vom 26. Juli 2005 und „Flugverbot über der Berliner City gilt ab dem 1. August“ vom 30. Juli 2005

Das Flugverbot von Minister Stolpe und Senator Körting für Privatflugzeuge innerhalb des SBahn-Rings ist lachhaft. Vom Bahnhof Gesundbrunnen zum Platz der Republik sind es weniger als fünf Kilometer. Selbst ein sehr langsames Flugzeug würde mit 120 km/h drei Minuten vom Gesundbrunnen zum Reichstag brauchen. Diese Zeit reicht selbst für einen Kampfhubschrauber nicht zum Abfangen. Schlimmer noch die Verwirrung, die angerichtet wird. Dass Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr meist nur Show für die Unkundigen sind, ist ein offenes Geheimnis. Da ist es noch harmlos, wenn am Flughafen der mitreisenden Sekretärin vorwurfsvoll die Nagelschere ins Gesicht gehalten wird. Weniger komisch ist es, wenn Linienflugzeuge plötzlich in die Kategorie selbstmordbereiter Terrorflieger gelangen.

Manfred Neumann, Westerland/Sylt

Eine Flugverbotszone über der Berliner Innenstadt hilft in keiner Weise das Anschlagsrisiko zu reduzieren. Es gibt bereits zahlreiche Maßnahmen, die den Flugverkehr in Berlin reglementieren und kontrollieren: Es existiert eine Kontrollzone, die bereits vor der Stadtgrenze beginnt. In diese Kontrollzone darf nur nach Freigabe durch den zuständigen Fluglotsen eingeflogen werden. Es besteht die Pflicht zu ständigem Funkkontakt. Der Lotse bestimmt Höhe und Kurs des Flugzeugs, es gibt in dieser Zone eine Transponderpflicht (Radar- überwachung). Deutsche Piloten müssen vor Scheinerwerb ein Führungszeugnis vorlegen, sie müssen regelmäßig zum Fliegerarzt, der nach erfolgten oder geplanten Selbsttötungsabsichten gefragt wird. Seit neuestem ist eine Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 7 Luftsicherheitsgesetz notwendig, für die zum Beispiel auch Geheimdienste befragt werden können. Ein höheres Gefährdungspotenzial als ein Kleinflugzeug hat ein sprengstoffbeladener Kleinwagen. Das Ultraleichtflugzeug hat vor dem Reichstag einen Brandfleck hinterlassen – mehr nicht. Eine Cessna 172 die im Januar 2002 mit Vollgas in ein Bürogebäude in Tampa/Florida geflogen ist, hat das Fenster durchschlagen und ist dann stecken geblieben. Mehr ist nicht passiert. Selbstmordattentäter sind durch die geplante Flugverbotszone sicherlich nicht behindert. Die Flugverbotszone schränkt vielmehr die Rechte von unbescholtenen Bürgern ein.

Dr. Corinna Eisenhut, Flugmedizinische Sachverständige, Berlin-Zehlendorf

Wenn der bayerische Innenminister Herr Beckstein dafür plädiert, Regierungsviertel und Brandenburger Tor mit Kampfhubschraubern und Luftabwehrraketen sicherer machen zu müssen, dann bitte mit Konsequenz. Es gibt in Deutschland noch mehr sehr symbolträchtige Orte, die eines solchen Schutzes bedürfen. Zum Beispiel den Kölner Dom, wo man Luftabwehrraketen zweckmäßigerweise gleich in die beiden Turmspitzen einbauen kann, das fällt nicht weiter auf. Und zum Münchener Oktoberfest oder im Hofbräuhaus werden die Brezeln künftig so geformt, dass sie als Visieraufsatz für eine Fliegerabwehrkanone Verwendung finden können. Für weitere kreative Überlegungen, auch nach der Bundestagswahl, stehe ich Herrn Beckstein gern zur Verfügung.

Micha Gebert, Berlin-Lichtenberg

Die Einrichtung einer Flugverbotszone über der Berliner Innenstadt ist blinder Aktionismusund die Zustimmung Ihres Komentators zeugt leider von grober Unkenntnis. Das Einflugverbot trifft allein diejenigen - und nur diejenigen - die sich ohnehin an bestehende Regeln halten und von denen somit keine Gefahr ausgeht. Der Selbstmordpilot aber hat sich um nichts geschert, was ohnehin bereits verboten oder vorgeschrieben ist. Eine „gefühlte“ Verbesserung ihrer Sicherheit können allenfalls die empfinden, denen grundlegende Kenntnisse über Eigenheiten des Flugverkehrs nicht bekannt sind, sicherlich auch deshalb, weil sie von den Medien darüber nicht informiert werden. Wir führen seit Jahren vom Flugplatz Saarmund aus Stadtrundflüge über die Berliner Innenstadt durch, stets - wie vorgeschrieben - mit eingeschaltetem Transponder und nach Freigabe der beantragten Route durch den zuständigen Controller. Bei direktem Anflug auf die Berliner Innenstadt beträgt die Flugzeit zum Regierungsviertel mit einer Cessna 172 (Reisefluggeschwindigkeit etwa 200 km/h) circa zehn Minuten. Wer Böses im Schilde führt, kann die Innenstadt also weiterhin absolut unbehelligt erreichen, denn es ist vollkommen ausgeschlossen, in dieser kurzen Zeit die unlautere Absicht des Piloten zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Ein Abschuss der Maschine dürfte sich ohnehin verbieten, da man ja einen Absturz über der Stadt vermeiden möchte. Wird die angekündigte Flugverbotszone (S-Bahn-Ring) Wirklichkeit, kann jeder Pilot legal bis dorthin fliegen und vom Rand der Flugverbotszone jeden Punkt der Berliner Innenstadt innerhalb von ein bis eineinhalb Minuten erreichen. In dieser Zeit ist nicht einmal die Polizei informiert, aber angeblich soll die Zeit reichen, irgendwelche Gebäude zu evakuieren.

Christian Stonke, Berlin-Schöneberg

Den Luftraum über Berlin für Kleinflugzeuge sperren, nur weil ein Lebensmüder mit einem Luftsportgerät der Marke „fliegender Gartenstuhl“ auf die Wiese neben dem Reichstag gefallen ist? Werden die Herren Stolpe & Körting dann demnächst vielleicht sogar Fahrräder mit Gepäckträgern sowie Kinderwagen in Berlin verbieten wollen, nur weil geistig verirrte damit Sprengstoff transportieren könnten?

Michael Vogel, Karlsruhe

Die Diskussionen zu diesem aktuellen Thema werden aus meiner Sicht zu einseitig geführt. Die Verantwortlichen sollten sich mit der Deutschen Flugsicherung, Piloten und Flughafenbetreibern an einen Tisch setzen, um nach sinnvollen (!) Lösungen zu suchen. Ich selbst bin Inhaber der Berufs- und Privatpilotenlizenz und halte die Einrichtung einer Flugverbotszone für wirkungslos.

Dennis Pilz, Berlin-Lichterfelde

Als Anwohner des oberen Kudamms sind wir zunehmend genervt vom steigenden privaten Flugverkehr. Der Flugverkehr findet bereits am frühen Morgen ab sechs Uhr statt und dauert bis Sonnenuntergang. Es nerven vor allem die ungedämpften altertümlichen Motoren, die über unseren Köpfen rattern. Ich habe mal Sonntag früh acht Flüge pro Stunde gezählt. Hier wurde zum Vergnügen Einzelner der Schallschutz ausgehebelt. Wir hoffen, dass das Überflugverbot diesem Krach ein Ende setzt.

Rolf Schmidt, Berlin-Wilmersdorf

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