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Meinung: EU-Bürger sollten über Türkei-Beitritt abstimmen

„EU und Türkei beginnen Verhandlungen“ vom 4. Oktober 2005 Was europäische Politiker dazu bewegt, die EU nicht nur zu schwächen, sondern langfristig zu zerstören, ist mir schleierhaft.

„EU und Türkei beginnen Verhandlungen“ vom 4. Oktober 2005

Was europäische Politiker dazu bewegt, die EU nicht nur zu schwächen, sondern langfristig zu zerstören, ist mir schleierhaft. Weniger unverständlich ist mir dagegen die Politik der USA, die die Türkei so leidenschaftlich unterstützt. Absurderweise führt diese Politik bei vielen Beitrittsbefürwortern in unserem Land, die sonst ihre Amerikaskepsis oder einen offenen Antiamerikanismus pflegen, zu keinem „Aufschrei“, mit dem sie sich bei jedem Fehltritt der USA ihrer eigenen moralischen Überlegenheit versichern.

Dabei kann man davon ausgehen, dass die USA mit dieser Politik ebenso wenig altruistische Ziele verfolgen wie andere Staaten auch. Die NatoPartnerschaft der Türkei kann nicht der alleinige Grund sein, ebenso wenig wie die Globalisierungsinteressen. Aber was dann? Vielleicht sollte man sich die Frage stellen, ob sich die USA lieber ein einiges, politisch starkes und kompaktes Europa wünschen oder einen lockeren, aufgedunsenen Staatenhaufen, der an seinen inneren Problemen siecht und zu keiner gemeinsamen Stimme und Stärke finden wird. Divide et impera! Man kann die Welt auch teilen, indem man vereint.

Ralph Bohn, Berlin-Kreuzberg

„Die Skepsis wächst“ vom 2. Oktober 2005

Was uns von der EU zugemutet und vorgeschrieben wird, ist in der Tat Besorgnis erregend. Die Türkei drohte uns damit, die Gespräche mit der EU zu beenden, sollte sie kein Vollmitglied werden dürfen. Hoffentlich ist das keine Drohung, sondern ein Versprechen, denn ein Beitritt in absehbarer Zeit wird politisch und wirtschaftlich kaum zu verkraften sein.

Nun ist die türkische Frage seit längerem ein Kampfplatz für Demagogen und ein Ventil für Unmutsbekundungen geworden. Das gilt sowohl für die EU-Länder, aber genauso für die Beitrittsbewerber. In der Türkei ist die öffentliche Meinung auch tief gespalten. Die einen nehmen die EU als Projektionsfläche für Sehnsüchte, Wünsche, Hoffnungen und anderen graut es vor dem „Christenclub“. Nicht nur die Skepsis bei den Bürgern wächst, sondern auch bei den europäischen Politikern. Trotz vieler Widersprüche werden die Beitrittsgespräche beginnen und mindestens zehn Jahre dauern. Die Entscheidung über den Beitritt muss demokratisch legitimiert werden, denn das letzte Wort haben nicht die Politiker, sondern die Stimmbürger und -bürgerinnen in den EU-Ländern.

Hanskarl Hindenberg, Aschau

„Eine Chance für Minderheiten“

vom 29. September 2005

Die Auseinandersetzungen im Vorfeld des Beginns der Verhandlungen werden wohl weitergehen, auch die abwertenden Geringschätzungen türkischer Offizieller, die die EU als „Christenclub“ bezeichnen. Dies entspricht nicht den Tatsachen. Es gibt wohl tiefsitzende Aversionen gegen Christen in der Türkei, weit mehr als gegen Muslime in Europa.

Denn wie ist zu erklären, dass in einhundert Jahren 99,5 Prozent der Christen in der Türkei, egal ob türkische Staatsbürger armenischer, griechischer, aramäischer, chaldäischer, protestantischer oder römisch-katholischer Glaubensrichtung entweder ermordet, aus dem Lande gejagt, vertrieben und mit Schikanen zur Auswanderung gezwungen wurden?

Der höchste Würdenträger des orthodoxen Christentums in Istanbul darf nicht mal den Papst als Glaubensbruder einladen, gestohlenes Eigentum der Kirchen bleibt verstaatlicht, Christenmorde dürfen nicht benannt werden usw.

Der angebliche „Christenclub“ EU – zur Hälfte „gottlos“ bzw. atheistisch – gibt allen Religionen Rechte. Davon kann in der „laizistischen“ Türkei nicht die Rede sein.

Sabine Lange, Berlin-Wilmersdorf

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