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Meinung: Flicks Sammlung schlägt Brücken

„Der lange Schatten des Alten“ vom 23.August, „Kunst und Sühne“ vom 6.

„Der lange Schatten des Alten“ vom 23.August, „Kunst und Sühne“ vom 6. September und „Flick kommt nicht zur Feier“ vom 8. September 2004

Hält die Kunstsammlung von Christian Friedrich Flick, was sie verspricht, sehe ich darin einen Beitrag zu vielfach angemahnten Wiedergutmachungsleistungen. Ausgrenzung und Exodus von kritischen Intellektuellen und Künstlern im Dritten Reich – meist jüdischer Herkunft – haben zu nachhaltigen Verstümmelungen der Diskurskultur, der Demokratiefähigkeit und der Moral geführt.

Mit dem Öffentlichmachen seiner Sammlung hilft Flick junior, eine Brücke über jenen Krater zu schlagen, welchen brauner Staatsterror mit Unterstützung seines Vaters und anderer Väter ins Wahrnehmungsvermögen und in die Impuls gebenden Möglichkeiten einer Nation gesprengt hat. An seinem Rand wurde die kulturelle Vielfalt im Volk der „Dichter und Denker“ nach Maßgabe einer Diktatur der Einfältigen exekutiert. Der Krater trennte – und trennt noch – die junge Kunst hierzulande von ihren Mentoren aus der Zeit vor und zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. Er markiert überdies ein Loch der Rezeptionsgeschichte.

Die östlichen Ränder Deutschlands sind hinsichtlich zeitgenössischer Formen der Bildenden Kunst als Generatoren zukunftsfördernder kreativer Energien unterversorgt. Mit der Ausdehnung Europas auf ehemals sozialistische Länder, deren staatlich verordnete Scheuklappen von ehedem ohne die langen Schatten des Dritten Reiches nicht zu denken sind, haben sich Gewicht und Fläche von Regionen im Umbruch und in partieller kultureller Orientierungslosigkeit vergrößert. Ohne deren Entwicklung wird eine gemeinsame Zukunft in Augenhöhe, mit wechselseitigem Verstehen und visionären Antriebskräften nicht gelingen. Umso wichtiger scheint mir angesichts knapper Kulturetats insbesondere in den neuen Bundesländern, dass Berlin als östlichste Metropole für global wirksame zeitgenössische Kunst in Europa weitere Impulse setzt und historische Lücken schließen hilft.

Ich setze auf die neue Flick-Sammlung, die das Magnetfeld des Hamburger Bahnhofs stärken und Exkursionen hierher noch lohnender machen wird und so Impuls gebend in die Bundesrepublik und das neue Europa hineinwirken kann. Würden hierzu Mittel jener umgenutzt, die Europa einst in kulturelle Verödung treiben wollten, so macht das einiges wieder gut.

Prof. Ulrich Puritz, Caspar-DavidFriedrich-Institut, Ernst-Moritz-Arndt-

Universität Greifswald

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