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Meinung: Im Regen stehen

Zur Diskussion über das verkürzte Dach des Berliner Hauptbahnhofs Was wurde über ihn nicht alles an Spott ausgegossen? Er würde nicht von den Kunden angenommen.

Zur Diskussion über das verkürzte Dach des Berliner Hauptbahnhofs

Was wurde über ihn nicht alles an Spott ausgegossen? Er würde nicht von den Kunden angenommen. Er sei ein Glaspalast mitten in der Wüste. Und was ist passiert? Der Hauptbahnhof wird sehr gut angenommen. Die Besucherzahlen liegen über den Erwartungen. Die Touristen strömen, die Berliner haben ihren Bahnhof entdeckt. Und auch das Umfeld entwickelt sich. Vielleicht zeiht man mich einen Kulturbanausen, aber ich höre – außer von wenigen Ästheten – keine Klagen über Disproportionen wegen eines zu kurzen Daches. Und noch eines muss auch nochmals gesagt werden, weil es anscheinend schon in Vergessenheit gerät. Die Dachkonstruktion musste geändert werden, weil der Bahnhof sonst zur WM nicht fertig geworden wäre. Die WM hätte dann sicher auch stattfinden können. Man erinnere sich aber nur einmal daran, wie die Massen von der Fanmeile zum Hauptbahnhof geströmt sind, um dort in die S-Bahnen, Regional- und Fernzüge zu steigen.Ohne den Hauptbahnhof hätte es die Fanmeile in dieser Dimension nicht geben können und der WM hätte etwas gefehlt und eines wird gern vergessen: Mit dem neuen Hauptbahnhof wurde auch gleichzeitig die neue Nord-Süd- Strecke in Betrieb genommen – die Voraussetzung überhaupt, die erhöhte Zugzahl zur WM abzuwickeln. Also: Der Zeitpunkt der Fertigstellung war richtig, und der Bahnhof wird gut genutzt, so wie er ist. Eine Diskussion, diesen Bahnhof jetzt nochmals zu ändern, geht daran vorbei, dass dieser Bahnhof, so wie er ist, ein Erfolg und Gewinn für die Stadt ist.

Ingulf Leuschel, Deutsche Bahn AG,

Konzernbevollmächtigter für

das Land Berlin

Abgesehen davon,dass das verkürzte Dach des Hauptbahnhofs ähnlich einem viel zu kurzen Mantel optisch missraten ist und der Bahnhof auch innendrin eher ein furchteinflößendes Monster in grau ist, bekommt man jetzt öfter zu lesen, dass „die Erste-Klasse-Passagiere“ im Regen stehen könnten.Ja das ist natürlich ganz furchtbar, wenn es denn wenigstens die Hartz-IV-Empfänger wären – so’n Mist nur,dass die sich Fahrten im ICE eh nicht leisten können. Da stehen also die sogenannten obersten Leistungsträger im Regen, jene bemitleidenswerte Schicht, die sich keinen Regenschirm und warme Kleidung leisten kann, um trocken und ohne Erkältung das Taxi zu erreichen. Mir kommen die Tränen.

Rüdiger Zippelius, Berlin-Neukölln

Es ist schon ein Schildbürgerstreich ersten Ranges, diese augenscheinlich unegale Dachkonstruktion zu bestaunen. Man kann nur hoffen,dass die Bahn nicht schlauerweise die Wagenfolge ändert, so dass das einfache Bahnvolk II. Klasse im triefenden Regen aussteigen muss, um zu seinem Ziel zu gelangen.

Thomas Hansen,

Berlin-Märkisches Viertel

Den Berliner Hauptbahnhof sollte man, nachdem die Welt anlässlich der WM gebührend gestaunt hat über dieses Weltwunder, kurz entschlossen schließen und fertig bauen. Es gibt viel zu tun, nicht nur am Glasdach und an der Decke im Kellergewölbe: Befindet sich im angeblich modernsten Bahnhof der Welt etwa ein Postamt? Gibt es ausreichend Toiletten, Geldautomaten (abgesehen von dem der bahneigenen Verkehrsbank), Sitzgelegenheiten – aber vor allem: Wie erreicht man ihn eigentlich, diesen „Hauptstadtbahnhof“ und wie kommt man von dort nach Berlin? Es fehlt an Parkplätzen und entsprechend dimensionierten Zufahrten, die Taxen haben keine angemessenen Halteplätze und die öffentlichen Verkehrsmittel, von der S-Bahn abgesehen, ach Gott! Aber das alles ficht Herrn Mehdorn und die seinen nicht an, denn die Berliner hätten den Hauptbahnhof „angenommen“. Es blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig, nachdem der Fahrplan sie regelrecht dorthin zwingt.

Jörg Scherzer, Berlin-Kreuzberg

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