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Meinung: Ist Berlin als Wissenschaftsstandort noch wettbewerbsfähig?

„Zöllners Spartricks“ von Anja Kühne vom 3. MärzSehr geehrte Damen und Herren,die Glaubwürdigkeit der Berliner Politik leidet immer mehr.

„Zöllners Spartricks“ von Anja Kühne vom 3. März

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Glaubwürdigkeit der Berliner Politik leidet immer mehr. Seit Jahren wird vom Senat die Notwendigkeit der Bildungspolitik betont und die Bedeutung Berlins als Wissenschaftsstandort herausgestrichen. Wenn es dann aber um die Umsetzung der Politik geht, werden künstlich neue Modelle unter dem Vorwand der Transparenz und Rationalität sowie der Stärkung des Wettbewerbs entworfen und bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich als das Einläuten einer neuen Sparrunde. So sitzen Charité und die Hochschulen gleichermaßen im selben Boot. Das von Prof. Zöllner entwickelte Leistungsmodell zur Bemessung des Zuschusses an die Hochschulen ist aber grundsätzlich bedenklich, weil es die Autonomie der Hochschulen einschränkt, es eine Abweichung von Grundsatz des Globalzuschusses bedeutet, es die Entwicklungsmöglichkeiten der Hochschulen durch feste Vorgaben einschränkt, die „preiswerten“ Studiengänge privilegiert, es keine bessere Ausstattung in der Lehre für die Bachelorstudiengänge zulässt, es keinen Anreiz für gute Forschungsleistungen mehr beinhaltet, es die Mobilität der Studenten weiter erschwert, es zu mehr Bürokratie führt, es die allseits anerkannte Unterfinanzierung der Berliner Hochschulen nicht beseitigt.

Wettberb zwischen den Berliner Hochschulen mag hilfreich sein, übersieht aber, dass die Wettbewerber der Berliner Hochschulen in Aachen, Heidelberg und München sowie international in Oxford, Cambridge, Paris, Stanford, Boston, Zurich sitzen, um nur einige zu nennen. Verglichen mit deren Austattung ist das Berliner Leistungsmodell fast lächerlich und dürfte kaum geeignet sein, gleichwertige Ausgangsbedingungen der Berliner Hochschulen zu ihren Konkurrenten herzustellen. Im Ergebnis wird dieser Prozess zu einem Verlust der Reputation und der Leistungsfähigkeit der Berliner Hochschulen führen.

Hans-Wilhelm Groscurth

Berlin-Charlottenburg

Sehr geehrter Herr Groscurth,

lassen wir Fakten und nicht Vorurteile sprechen: Bildung ist einer der zentralen Schwerpunkte der Politik des rot-roten Senats. Von der frühkindlichen Bildung, über die Schule bis zu Ausbildung und Hochschulen, setzen wir auf strukturelle und qualitative Verbesserungen, die durch massive finanzielle Zuwächse flankiert werden. Im Vergleich zu 2009 steigen die Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung allein im Jahr 2010 um 120,7 Millionen Euro, also drei Prozent, an.

Bei den Hochschulen hat der Senat mit den Hochschulverträgen 2010 bis 2013 einen erheblichen Mittelzuwachs und Planungssicherheit für die kommenden Jahre garantiert. Selbst bei gleichbleibenden Leistungen erhöhen sich die Zuschüsse von 899 Millionen Euro auf 1005 Millionen Euro im Jahr 2013, das heißt eine Steigerung von 11,8 Prozent. Bei zusätzlichen Leistungen kann der Zuschuss an die Hochschulen im gleichen Zeitraum sogar um bis zu 149 Millionen Euro wachsen, dies entspricht dann einer Steigerung von 16,6 Prozent über 4 Jahre, das heißt weit über dem Landesdurchschnitt. Welches andere Bundesland bietet diese positive Planungssicherheit seinen Hochschulen?

Mit dem leistungsbasierten Finanzierungssystem gibt Berlin den Hochschulen darüber hinaus gezielte Anreize in Bereichen, die für unsere Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind, nämlich Lehre und Forschung, Weiterbildung und Frauenförderung. Wenn diese genutzt werden, können die Hochschulen in den Jahren 2012 und 2013 so bis zu 73 Millionen Euro zusätzlich erhalten. Zentrale Zielsetzungen des neuen Systems sind dabei: 1. Bereitstellung von bis zu 6000 zusätzlichen Studienanfängerplätzen zur Aufnahme des doppelten Abiturjahrgangs in 2012. 2. Senkung der Studienabbrecherquote und somit mehr erfolgreiche Studienverläufe. 3. Stärkung der Forschung und Steigerung der Drittmitteleinnahmen. 4. Ausbau des Wissenstransfers und damit auch die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Berlin. 5. Gleichstellung der Geschlechter. 6. Ausbau der Weiterbildung.

Die Hochschulen bekommen zudem eine echte Planungssicherheit, weil sie vorher wissen, welche Leistung wie honoriert wird. Besonders wichtig ist: Während im bisherigen System der Hochschulfinanzierung die Hochschulen mehr Geld durch zusätzliche Leistungen nur erhalten, wenn andere Berliner Hochschulen geringere Leistungen erzielt hatten und deshalb Geld nur unter den Hochschulen umverteilt wurde, garantiert das neue System mehr Geld für zusätzliche Leistungen an allen Hochschulen. Von einer Einschränkung der Autonomie der Hochschulen kann keine Rede sein. Im Gegenteil, denn zum ersten Mal erhalten die Hochschulen für zusätzliche Leistungen eine berechenbare Gegenfinanzierung.

Die deutschen Wettbewerber haben nicht ansatzweise eine solch gute qualitative und quantitative Perspektive. Internationale Spitzen-Unis wie Oxford oder Stanford sind dagegen nicht mit unseren Universitäten vergleichbar. Im Gegensatz zu ihnen wollen und fördern wir Breite und Spitze. Daher muss man für den letzteren Bereich die zusätzlichen Mittel, die über die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern in die Hochschulen fließen (allein 210 Millionen Euro aus der ersten Phase) sowie die Einstein-Stiftung Berlin (2010 und 2011 jeweils 40 Millionen Euro) in Bezug auf die Förderung der Spitzenforschung ebenfalls in Rechnung stellen. So können wir uns konkurrenzfähigen Rahmenbedingungen schon nähern. In der Spitzenforschung ist keine deutsche Wissenschaftsregion erfolgreicher als Berlin. Berlin ist die Hauptstadt der Wissenschaft! Darauf sollten wir stolz sein, anstatt den Standort permanent schlecht zu reden.

— Professor Jürgen Zöllner, Senator für Bildung,

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