zum Hauptinhalt

Meinung: Ist die Gemeinschaftsschule ein Modell mit Zukunft?

Zur Einführung der Gemeinschaftsschule in Berlin Die Schaffung eines siebenten Schultyps, neben der Grundschule, dem Gymnasium, der Realschule, der Hauptschule, der Förderschule und der Gesamtschule, löst wieder nur eine Verdrängung in der Schülerstruktur der bestehenden Schulen aus. Wie bei der Einführung der Gesamtschule deformiert sich die Ruine des dreigliedrigen Schulsystems noch mehr zuungunsten der Haupt- und Realschulen.

Zur Einführung der Gemeinschaftsschule in Berlin

Die Schaffung eines siebenten Schultyps, neben der Grundschule, dem Gymnasium, der Realschule, der Hauptschule, der Förderschule und der Gesamtschule, löst wieder nur eine Verdrängung in der Schülerstruktur der bestehenden Schulen aus. Wie bei der Einführung der Gesamtschule deformiert sich die Ruine des dreigliedrigen Schulsystems noch mehr zuungunsten der Haupt- und Realschulen. Man eröffnet wieder einmal eine Baustelle, ohne die überholten Denkmäler der deutschen Bildungslandschaft abzureißen oder grundlegend zu sanieren. Wenn eine neue integrierende Schulform eingeführt wird, dann wird dies auch zwangsläufig zu einem weiteren Verfall des Baudenkmales Gesamtschulen führen. Dabei ist gerade dieser Schultyp am ehesten geeignet, nach einer Reformierung dem Gedankenmodell „Eine Schule für alle“ zu entsprechen. Die Vorschläge dazu sind vielfältig und kommen meist aus den Schulen selbst. Gerade die Neubauten der letzten Jahre böten hierzu ideale Voraussetzungen.

Dass die neue Einheitsschule Regelschule wird, ist schon durch die Exklusivität der Erstausstattung unmöglich. Wenn zehn Schulen mit 22 Millionen Euro gesponsert werden müssen, dann kann dies kein übertragbares Modell für eine Regelschule werden. Wollte man ernsthaft eine integrierte Schulform für Berlin einrichten, so muss man sich nur in der Bundesrepublik umschauen. Dort gibt es Modelle, die langjährig erprobt, für gut befunden wurden und die bereits den nordischen Ländern als Vorbild gedient haben. Was also soll ein Schultyp bewirken, der additiv neben einer ohnehin schon sehr differenzierten Schulstruktur existieren soll, ohne dass er mit dem Bestehenden ein sinnvolles Konzept ergäbe? Vermutlich das, wonach es aussieht; ein Geschenk an einen Wahlverlierer, aber Koalitionsgewinner, damit das Thema Schule dann für die nächsten vier Jahre vom Tisch ist. Probleme wird es dann nicht mehr geben, man muss nur abwarten, bis die neue Einheitsschule alles richtet.

Ralf Schiweck, Schulleiter, Berlin

Sehr geehrter Herr Schiweck,

ich freue mich, dass ich auf Ihren kritischen Brief antworten kann. Viele Ihrer Fragen haben wir uns während der Erarbeitung des Gemeinschaftsschulkonzeptes in den vergangenen eineinhalb Jahren auch gestellt.Denn natürlich wollen wir keinen weiteren Schultyp schaffen, wohl aber den unterschiedlichen Bildungserfahrungen der Berlinerinnen und Berliner gerecht werden und eine angemessene Antwort auf die gegenwärtige Schulsituation in der Stadt geben. Wir müssen der Ausgrenzung von immer mehr jungen Menschen entgegenwirken und der Tatsache Rechnung tragen, dass die Bundesrepublik im internationalen Bildungsvergleich immer mehr abgehängt wird. Die bisherigen Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung lösen das Problem nicht, deshalb schlagen wir nach skandinavischem Vorbild Strukturveränderungen hin zur Gemeinschaftsschule vor. Solche Veränderungen passieren natürlich nicht über Nacht. Eltern und Lehrer müssen geworben und mitgenommen werden. Deshalb hat sich die Koalition auch darauf verständigt, mit einer Pilotphase den Einstieg in die Gemeinschaftsschule zu beginnen. Ziel ist, in dieser Legislatur einen Weg zu finden, auf dem sich die integrative Gemeinschaftsschule von der 1. bis zur 10. Klasse bzw. bis zum Abitur zur Regelschule entwickeln kann. Dazu gehört, dass Schulen zunächst die Chance erhalten, von innen her, durch Kooperation oder im Verbund mit anderen Schulen zu Gemeinschaftsschulen zu werden.

Derzeit gibt es in Berlin mehrere Schulen – freie und auch staatliche –, die bereits wie Gemeinschaftsschulen arbeiten. Deren pädagogische und strukturelle Erfahrungen sowie neue Ideen sollen gebündelt und stadtweit bekannter gemacht werden. Mit einer Öffnungsklausel im Schulgesetz müssen für alle interessierten Schulen in der Pilotphase Rechtssicherheit und die Voraussetzungen für das Erproben von umfassend integrativer Pädagogik geschaffen werden. Wir sind zuversichtlich, dass es möglich ist, auf der Basis eines fundierten, weil erprobten Konzeptes die Schulstruktur zu ändern. Das gelingt umso besser, je mehr Schulen sich ermuntert fühlen, als Pilotschulen zu arbeiten. Die Ausstattung dieser Schulen aus dem Förderfonds wird keineswegs exklusiv sein. Doch beide Koalitionspartner sind sich darin einig, dass diese Schulen bei ihrer Weiterentwicklung zur Gemeinschaftsschule unterstützt werden sollen. Das bedeutet, dass der Standard dort später auch in der Fläche finanzierbar sein muss. Es ist also nicht einfach ein Wahlgeschenk an meine Partei, sondern ein zentrales Zukunftsprojekt für Berlin. Die anderen Schulen vergessen wir im Übrigen nicht: 22 Millionen Euro für die Pilotschulen sind gemessen an der kostenfreien Kita, dem Ersatz von dauerkranken Pädagogen für weitere 20 Millionen Euro und den 400 Referendariatsplätzen zusätzlich eine angemessene Summe.

Es grüßt Sie herzlich

— Carola Bluhm (Linkspartei/PDS), Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus und

bildungspolitische Sprecherin

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false