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Meinung: Ist die Integration von Muslimen überhaupt möglich?

Zum umstrittenen Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten in Köln Erdogan hat unmissverständlich gesagt, was seine Regierung und die Mehrheit der Türken in Deutschland will: Keine Anpassung an europäischen Lebensstil und westliche Normen. Stattdessen Wahrung und Pflege der eigenen Sprache, Kultur und Religion.

Zum umstrittenen Auftritt

des türkischen Ministerpräsidenten in Köln

Erdogan hat unmissverständlich gesagt, was seine Regierung und die Mehrheit der Türken in Deutschland will: Keine Anpassung an europäischen Lebensstil und westliche Normen. Stattdessen Wahrung und Pflege der eigenen Sprache, Kultur und Religion.

Assimilierung, mahnte der Staatsgast seine Landsleute, sei eine Schande, ja ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. So hatten sich die deutschen Multikultifreunde die täglich neu beschworene "Integration" wohl kaum vorgestellt? Unsere Gutmenschen in den Parteien und Kirchen werden umdenken müssen oder noch böse Überraschungen erleben.

Das trügerische Wunschbild einer friedlichen, bunten und bereichernden Einwanderungsidylle hat der AKP-Chef durch sein Modell einer türkischen Gegengesellschaft ersetzt. Diese versteht sich als Brückenkopf des aggressiven Islam in Europa.

Mit rückständigem anatolischen Nationalismus allein kann man den türkischen Expansionsdrang nicht erklären. Wir sollten vielmehr den totalitären (weltlichen und religiösen!) Herrschaftsanspruch des Islam betrachten. Gläubige Muslime dürfen keine demokratische Verfassung akzeptieren. Nur der Koran, die Wort-für-Wort- Offenbarung Allahs, ist für sie in jeder Lebenslage gültig. Fremden Gesetzen unterwirft man sich in der Diaspora bloß zum Schein („Takiya“- Gebot). Wann werden die Verantwortlichen begreifen, dass die Integration nichteuropäischer, zumal muslimischer Migranten nur in Ausnahmefällen gelingt?

Herbert Rauter, Bad Herrenalb

Sehr geehrter Herr Rauter,

kaum jemand in Deutschland wird bestreiten, dass die nationalistischen Töne, die Herr Erdogan in Köln angeschlagen hat, hier nicht akzeptabel sind. Er hat damit die Türkei in ihrem Bestreben, in den Kreis der demokratischen Staaten Europas aufgenommen zu werden, um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, zurückgeworfen. Vor allem hat er aber seinen türkischen Landsleuten in Deutschland einen Bärendienst erwiesen. Ebenso wenig akzeptabel ist aber die von Ihnen daraus gezogene Folgerung, dass „die Integration nichteuropäischer, zumal muslimischer Migranten nur in Ausnahmefällen“ gelingen könne.

Zunächst bleibt es Ihr Geheimnis, wie Sie behaupten können, dass „die Mehrheit der Türken in Deutschland“ eine Integration sogar ablehne. Ich bezweifle, dass Sie auch nur einen türkischen Migranten bzw. Nachkommen eines solchen näher kennen, mit dem Sie sozusagen in einem interkulturellen Zwiegespräch einmal dessen Sorgen und Nöte erörtert hätten. Gewiss haben Sie aber im Fernsehen auch den einen oder anderen Bericht über die Demonstrationen tausender säkularer Türken in der Türkei gegen die Reislamisierungstenzen der Erdogan-Regierung gesehen, woran Sie hätten erkennen können, dass Herrn Erdogans kulturpolitische Ansichten auch in der Türkei nicht Allgemeingut sind. Besonders ärgerlich sind Ihre Ausflüge in die islamische Theologie, so z. B. wenn Sie behaupten: „Gläubige Muslime dürfen keine demokratische Verfassung akzeptieren.“ In der Tat stellen Sie sich damit auf eine Stufe mit radikalen, aber theologisch völlig ungebildeten Islamisten, die demokratische Verfassungen ebenso ablehnen, wie dies unsere deutschen Rechtsradikalen tun. Und ich fürchte, dass sich die Zahl rechtsradikaler gewaltbereiter deutscher Jugendlicher von der Zahl entsprechender Jugendlicher mit türkischem oder auch muslimischem Emigrationhintergrund nur unwesentlich unterscheidet. Aufschlussreich ist dann auch - und damit stehen Sie nicht allein - die Behauptung: „Fremden Gesetzen unterwirft man sich in der Diaspora nur zum Schein (,Takiya‘-Gebot)". Erstens ist Takiya (arab. taqîya) kein „Gebot“, sondern die Erlaubnis für gläubige Muslime, ihren Glauben in einer fremden Gesellschaft dann zu verleugnen, wenn ihnen sonst Gefahr für Leib und Leben drohen würde. Damit sollte es im Mittelalter Muslimen ermöglicht werden, ohne schlechtes Gewissen z. B. in eine christliche Gesellschaft integriert zu leben, ohne deswegen als „Ketzer“ verfolgt zu werden und als Märtyrer sterben zu müssen.

Man sollte sich hüten, mit islamischen theologischen Begriffen zu argumentieren, wenn man nichts davon versteht. Entschuldigend für Sie muss ich leider zugestehen, dass diese Argumentationsweisen auch in einigen unserer Medien weit verbreitet sind, ja, dass sich auch halbgebildete islamistische Fanatiker ihrer gern bedienen, womit sich der Teufelskreis dann wieder schließt. -

Ich kann mich noch gut an die ersten italienischen Gastarbeiter erinnern, als diese sich als „Spaghettifresser“, „Kanaken“ und Schlimmeres bezeichnen lassen mussten. Als jetzt in München ein deutscher Rentner von einem türkischen und einem griechischen Jugendlichen zusammengeschlagen wurden, machte nur der Türke Schlagzeilen. Warum? Weil die Griechen längst als gute Europäer gelten. Integration, lieber Herr Rauter, ist ein langwieriger Prozess auf beiden Seiten. Die Alternative wäre, zwei Millionen Türken bzw. ihre Kinder und Enkelkinder aus Deutschland auszuweisen. Wollen Sie das? Wenn ja, sollten Sie es auch offen sagen!

Inzwischen ist nicht nur bei den von Ihnen spöttisch als „Gutmenschen“ titulierten Deutschen, sondern auch bei realistischen konservativen Politikern die Erkenntnis angekommen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, immer war und auch bleiben wird, ja, allein aus demografischen Gründen auch bleiben muss. Je früher und konsequenter wir Deutsche uns dieser Realität stellen, desto reibungsloser wird die unvermeidliche Integration vonstatten gehen. Auch Herr Erdogan wird dies noch erkennen müssen, ob er will oder nicht.

Mit freundlichen Grüßen

— Prof. em. Dr. Gernot Rotter, Mitglied des Rates für Migration und Islamwissenschaftler

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