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Meinung: Ist Topmanagern für Erfolg jedes Mittel recht?

Spitzelaffäre erschüttert die Telekom vom 26. Mai Die Telekom-Bespitzelungsaffäre ist ein Symptom.

Spitzelaffäre erschüttert die Telekom vom 26. Mai

Die Telekom-Bespitzelungsaffäre ist ein Symptom. Sie fügt sich nahtlos ein in eine Reihe von Aktivitäten deutscher Spitzenmanager und zeigt: deren Hilflosigkeit. Diese Topkräfte der Wirtschaft sind Getriebene des Kapitalmarkts, der eigenen Ansprüche und einer ans ideologische grenzenden Rentabilitätsorientierung.

Peter Kleimeier, Berlin-Friedenau

Ein Großteil der deutschen Spitzenmanager ist offensichtlich frei von jeglicher Moral. Das Einzige, was zählt, ist das eigene Einkommen – dessen Höhe oft an den wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens gebunden ist. Um das zu steigern, werden anscheinend von vielen dieser „Kaste“ rücksichtslos alle Mittel angewandt. Die einen hinterziehen Steuern in Millionenhöhe, andere bestechen wie die Weltmeister, weitere lassen ihre Mitarbeiter bespitzeln, wieder andere – wie sich nun bei der Telekom zeigt – selbst die eigenen Kollegen.

„Erfolg heiligt die Mittel“ ist ein bekannter Ausspruch, der allzu oft von denen wörtlich genommen zu werden scheint, die als Führungskräfte in unserer Gesellschaft auch moralisch eine Führungsrolle übernehmen und Vorbild sein sollten. Sie sind es längst nicht mehr! Wenn nur noch die Rendite zählt, bleibt der Mensch auf der Strecke. Wohin soll das in diesem Land noch führen? Wie soll der kleine Mann auf der Straße die Beispiele, die ihm da vorgeführt werden, deuten? Die Unternehmer, die sich für ihre Mitarbeiter und die Gesellschaft, die ihm ihren wirtschaftlichen Erfolg erst ermöglichen, verantwortlich fühlen, sind in Deutschland kaum noch zu finden. Schade, wir könnten Sie gut gebrauchen.

Christian John, Berlin-Buckow

Sehr geehrter Herr Kleimeier,

sehr geehrter Herr John,

der freie Markt funktioniert nur dort, wo es rechtliche und moralische Leitplanken gibt. Genau die fallen aber weg, wenn Unternehmen verstärkt einer globalen Logik folgen, während der Einfluss von Recht und Moral geografisch begrenzt bleibt. Der globale Markt und seine Anforderungen werden dann zum zentralen Orientierungspunkt für Entscheidungen in den Unternehmen. Wenn Nokia oder Continental Werke schließen und Arbeit verlagern, obwohl Gewinne erzielt werden, sehen wir die Konsequenzen einer überzogenen marktwirtschaftlichen Ideologie sehr deutlich.

Dazu kommen allerdings weitere Faktoren, die dazu führen, dass sich globale Manager von lokalen Spielregeln abkoppeln. Etwa die wachsenden geografischen Distanzen zwischen Ursache und Wirkung von Entscheidungen: Wer in Finnland sitzt und Arbeit von Bochum nach Rumänien verlagert, für den ist das Protestgeschrei eben sehr weit weg. Wer als Kaffeehändler seine Geschäfte am Computer abwickelt, der sieht Zahlen, nicht verhungernde Kaffeebauern. Ein Telekomvorstand, der sich von Spionen umgeben sieht, hat sich schnell ein paar Argumente zurechtgelegt, um den Missbrauch von Daten zu rechtfertigen. Um das eigene Gehalt zu bestimmen, nimmt man die USA als Maßstab, um das Gehalt der Mitarbeiter festzulegen, bezieht man sich auf die Löhne in Bangladesch und China. Manager tendieren dazu, sich angesichts des ungeheuren Drucks, der auf ihnen lastet, ihre eigene kleine Realität zu basteln und sich eigene Regeln zu schaffen. Abgekoppelt von dem was die Gesellschaft für gut und richtig hält, aber angekoppelt an das was die globalen Finanzmärkte für gut und richtig halten.

Der Kontext, in dem Manager heute Entscheidungen treffen, hat mit der gemütlichen nationalstaatlichen Industriegesellschaft des 20. Jahrhunderts nichts mehr zu tun. Der moralische Kompass geht nicht deshalb verloren, weil Manager von heute gieriger und korrupter sind als früherer Generationen. Sie ertrinken oft in der Unübersichtlichkeit Ihres gesellschaftlichen Kontextes und reagieren wie Menschen eben reagieren, wenn sie sich überfordert fühlen: Man konzentriert sich auf unmittelbare, einfache und im Markt selbst erwünschte Ziele und Verhaltensweisen. Allerdings sollten wir nicht vergessen, dass auch der von Herrn John zitierte „kleine Mann auf der Straße“ oder die kleine Frau Steuern hinterziehen und ihre Versicherung betrügen. Auch gehen er oder sie weiter beim Discounter einkaufen, obwohl die Mitarbeiter dort teils wie Sklaven schuften. Der kleine Mann verschließt die Augen vor den negativen Aspekten seines Tuns ebenso wie die Topmanager. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Auswirkungen unmoralischen und illegalen Handelns bei Managern eben größer sind als beim kleinen Mann auf der Straße.

Es wird daher zukünftig zu einer zentralen Managementaufgabe werden, gesellschaftliche Spielregeln mitzugestalten und den moralischen Kompass auf dem globalen Markt selbst neu zu justieren. Aufgedeckte Skandale beschleunigen diesen Prozess.

Mit freundlichen Grüßen

— Prof. Dr. Guido Palazzo, Professor

für Unternehmensethik an der School of Business and Economics der Universität Lausanne.

Professor Palazzo wurde mit dem Max-Weber- Preis für Wirtschaftsethik 2008 ausgezeichnet.

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