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Meinung: Können Subventionen dauerhafte Arbeitsplätze schaffen?

Zur beabsichtigten Schließung des Nokia-Werks in Bochum Das Sozialverhalten der Global Players ist nun einmal kompromisslos. Die Karawane des globalisierten Subventionstourismus zieht weiter.

Zur beabsichtigten Schließung des Nokia-Werks in Bochum

Das Sozialverhalten der Global Players ist nun einmal kompromisslos. Die Karawane des globalisierten Subventionstourismus zieht weiter. Nokia hat seine zeitlich beschränkten Auflagen erfüllt und ist damit aller Beschäftigungsverpflichtungen enthoben. Ohnehin trifft es sowieso wieder nur den Arbeitnehmer, der als beliebig austauschbares Produktionsmittel auf der Strecke bleibt. Das Beispiel Nokia zeigt ganz deutlich die Machtlosigkeit der Politik.

Dr. Hans-Dieter Seul, Berlin-Lichterfelde

In Berlin haben wir das, was Bochum jetzt mit Nokia erlebt, in den letzten Jahren ja schon mehrfach mit ansehen dürfen: Samsung, CNH, JVC fallen mir da spontan ein. Alle diese Unternehmen kassierten viele Millionen Euro an Subventionen, garantierten dafür die Schaffung bzw. den Erhalt von Arbeitsplätzen und schlossen ihre Werke, wenn die Subventionen nicht mehr zurückgefordert werden konnten. Da stellt sich doch eine Frage: Was nutzen Subventionen überhaupt? Subventionen sind in der Regel verlorenes Geld, sie können Arbeitsplätze nicht dauerhaft sichern. Da werden Jahr für Jahr Milliarden an die Unternehmen gezahlt und sobald woanders mehr geboten wird machen diese sich aus dem Staub. Der Fall Nokia macht es wieder einmal deutlich: Rendite ist heute alles, der Mensch nichts. Das Kapital zieht um die Welt - aber die Arbeitnehmer können nicht folgen. Mehr und mehr bestimmt das Kapital, was in unserem Land. Die Frage, die sich wirklich stellt, ist doch: Haben nicht längst die global agierenden Finanzinvestoren, die international tätigen Konzerne die wirkliche Macht in ihren Händen? Sie entscheiden letztlich, wo Arbeitsplätze entstehen, wo Werke geschlossen werden. Sie agieren weltweit, Politik regional begrenzt. Was kann können unsere Politiker da überhaupt noch ausrichten?

Andreas Bock, Berlin-Schöneberg

Sehr geehrter Herr Seul,

Sehr geehrter Herr Bock,

die deutsche Subventionspraxis muss auf den Prüfstand. In Bochum macht Nokia Rekordgewinne im dreistelligen Millionenbereich, nimmt 88 Millionen Euro Subventionen mit und lässt 2300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Regen stehen. Es wäre anständig, die Subventionen zurückzuzahlen. Wie zynisch, wenn das Unternehmen seine Mitarbeiter auffordert, mit niedrigeren Gehältern nach Rumänien zu gehen.

Ihren Pessimismus kann ich dennoch nicht teilen. Zwei Drittel der Arbeitsplätze in Deutschland schafft der Mittelstand: im Handwerk, in Familienbetrieben. Dort müssen wir gezielt fördern, und die Betriebe bleiben auch vor Ort. Ein gut florierendes internationales Großunternehmen braucht keine Subventionen. Kleinen Unternehmen werden oft schon einfache Kredite verwehrt.

Heute steht im Subventionsbericht, wofür der Staat Geld ausgibt, aber nichts über die Wirkungen auf den Arbeitsmarkt. Dieser Blinde Fleck muss weg. Ich setze mich für einen Transparenzbericht ein, mit dem endlich die Erfolge zum Maßstab für Subventionen gemacht werden - auch europaweit. Subventionen können sinnvoll sein, wenn sie den Mittelstand vor Ort und neue Ideen für eine grüne Marktwirtschaft fördern.

Mit der gezielten Förderung erneuerbarer Energien haben wir über 157 000 Arbeitsplätze geschaffen. Kleine Betriebe vor Ort leisten da Großes. Bio boomt. Aber den deutschen Landwirten fehlt die Unterstützung, ihre Äcker auf Öko umzustellen. Die Steinkohle bekommt bis 2018 weiter über acht Millionen Euro Subventionen. Bei der Bioförderung kürzt die Bundesregierung. Jetzt fehlen regionale Produkte in den Ökoecken der Supermärkte.

Unsere Handwerker sind Klimaschutz-Fachleute: für gut isolierte Wohnungen, sparsame Heizungen und neue Klimatechniken. Handwerk hat grünen Boden. Den müssen wir bereiten. Und auch beim Autobau haben kleine Zuliefererfirmen tolle Ideen für das verbrauchsarme grüne Auto der Zukunft. Limousinenkanzlerin Merkel verteidigt die CO2-Schleudern von gestern.

Das Kapital wandert. Aber wir können ihm international Regeln setzen. Eine globale Wirtschaft braucht globale Gesetze und eine unabhängige Aufsicht über Finanzmärkte und Fonds. Wir müssen Steuersenkungs-Wettbewerbe und Spekulationsgeschäfte zwischen unterschiedlichen Währungsräumen verhindern und Organisationen wie den internationalen Währungsfonds erneuern. International steht die Bundesregierung da auf der Bremse - und sträubt sich in Deutschland, die öffentliche Auftragsvergabe von 330 Milliarden Euro im Jahr sozial und ökologisch zu gestalten. Die Verbraucher achten auf sozial verantwortliche Unternehmen. Deren Aktien laufen langfristig besser. Weltweit 3100 Unternehmen arbeiten freiwillig mit klaren Standards für Arbeit und Umwelt, gegen Korruption und Diskriminierung und zur Bekämpfung von Kinderarbeit. Das muss im Welthandel verbindlich werden.

Marktwirtschaft bringt viel, aber sie braucht Regeln und die richtigen Anreize. Wir brauchen eine transparente und zielgenaue Subventionspraxis - und eine öffentlichen Vergabepraxis, die unverantwortliche Unternehmen nicht auch noch belohnt.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre

— Kerstin Andreae, MdB, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion

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