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Meinung: Nicht jeder Spielefreak wird ein Amokläufer

Zum Amoklauf in Emsdetten und der Diskussion über ein Verbot von Killerspielen Wie verzweifelt muss dieser Schüler gewesen sein, seine Gedanken in dieser Form zu äußern. Und keiner hilft ihm!

Zum Amoklauf in Emsdetten und der Diskussion über ein Verbot von Killerspielen

Wie verzweifelt muss dieser Schüler gewesen sein, seine Gedanken in dieser Form zu äußern. Und keiner hilft ihm! Wie viele Menschen haben diesen Hilferuf gelesen und nichts unternommen?

Gerhard Müller, Berlin-Charlottenburg

Tagtäglich spielen hunderttausende von Menschen aller Altersgruppen daheim oder im Internetcafé Spiele wie Counter-Strike. Der Umstand, dass in den letzten Jahren weltweit eine Hand voll Irregeleiteter real zur Waffe griff und Amok lief, soll nun als Indiz dafür gelten, dass alle Counter-Strike-Spieler verkappte Amokläufer sind. Mit dem Erfolg, dass derartige Spiele verboten werden sollen aus Angst um die innere Sicherheit.

Nun ja! Mit Sicherheit war die Zahl der Autofahrer, die allein in diesem Jahr tödliche Unfälle verursacht haben, höher als die der durchgedrehten Spielefreaks überhaupt. Sind somit alle Autofahrer verkappte Mörder? Wird das Autofahren jetzt verboten?

Um eins draufzusetzen: In Deutschland leben über drei Millionen Angehörige einer Religionsgemeinschaft, die Hass, Menschenverachtung und Gewalt predigt. 40 000 von ihnen werden vom Verfassungsschutz als gewaltbereit eingestuft – was bedeutet, dass die wirkliche Zahl weit höher ist. Wer sorgt sich eigentlich hier um die innere Sicherheit? Oder plant man ein Islamverbot in Deutschland?

Erst wenn das geschieht, sollten wir wieder über Computerspiele reden!

Stefan Gläser, Berlin-Frohnau

Ich verstehe, dass bei der Debatte über ein Verbot von Killerspielen gemahnt wird, nicht die skandalösen Kontrolllücken des realen Waffenhandels zu vergessen. Ein Blick in die Werbung einer großen Medienkette zeigt aber, in welchem Umfang realitätsnahe Waffengewalt bereits zu unserer Alltagskultur gehört. Alleine fünf PC-Spiele, die sich Jugendliche offensichtlich zu Weihnachten wünschen sollen, sind Ego-Shooter oder unverblümt gewaltverherrlichende Kriegssimulationen. Die Coverbilder zeigen herumballernde Soldaten, die Werbetexte heizen die Lust am Gemetzel noch an. Was ist noch im Angebot? Mehrere Car-Crash-Spiele, in denen den Bildern zufolge anscheinend mit Autos statt mit Gewehren auf Leben und Tod gekämpft wird, sowie Fantasy-Abenteuer mit den üblichen martialischen Schwerthelden. Und selbst die Fußballer beim Soccer-Game posieren wie finstere Ghettokämpfer.

Solange solcher Müll offen verbreitet werden darf, muss man sich nicht wundern, wenn schon Achtjährige brutale Gewalt normal finden. Klar, über Internet sind noch viel schlimmere Spiele illegal verfügbar, das ist kaum zu unterbinden. Dennoch: Es ist höchste Zeit für ein Verkaufs- und Werbeverbot. Es muss unmissverständlich klar sein, was unsere Gesellschaft toleriert und was nicht. Menschenverachtende Gewaltspiele sollten nicht dazugehören.

Robert Lindner,

Berlin-Friedrichshagen

Ein Verbot gewalttätiger Spiele wird nichts daran ändern, dass es auch in Zukunft Amokläufe wie in Emsdetten geben wird. Wer diesen naiven Gedanken vertritt, hat offensichtlich keine Vorstellung davon, wie das Internet funktioniert und welcher Anreiz durch ein Verbot geschaffen wird, diesem zuwiderzuhandeln. Junge Menschen werden nicht durch Gewalt in den Medien zu Amokläufern, sondern weil sie zwischenmenschliche Probleme haben und die Frustration darüber nicht anders kompensieren können.

Vielmehr sollte man sich darum bemühen, den Jugendlichen durch konstruktive Maßnahmen entgegenzukommen und die Bedürfnisse der heranwachsenden Generation zu verstehen.

Lucas Negroni,

Berlin-Prenzlauer Berg

Der Diskussionsbedarf steht außer Frage. Aber das Forum, das dem Amokläufer geboten wird, insbesondere in den „Nachrichten“-Sendungen einiger Fernsehkanäle („coole“ Fotos des Jungen, sonnenbebrillt und knarreschwingend, und Interviews mit Schülern: „H. hat immer noch Angst“ etc.), gibt ihm vollkommen recht in seiner Idee, es „denen zu zeigen“, „berühmt“ zu werden und die ultimative Aufmerksamkeit zu erlangen, die ihm in seinem Leben verwehrt wurde. Es funktioniert also – so zumindest könnte es ein potenzieller Nächsttäter sehen.

Das ist bedenklicher als finstere Computerspiele, an denen diverse Jugendliche sich abreagieren aus Mangel an Alternativen und aus Defiziten heraus, die wir wiederum nur wahrnehmen, wenn einer so was macht.

Nadia Panknin, Berlin-Charlottenburg

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