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Meinung: Nur im Quartett

„ Eine scharfe Truppe“ vom 22. August 2006 Der Kommentar disqualifiziert sich nicht nur durch seine Polemik.

„ Eine scharfe Truppe“

vom 22. August 2006

Der Kommentar disqualifiziert sich nicht nur durch seine Polemik. Den Enkel eines serbischen Widerstandskämpfers mit dem Enkel eines Holocaust-Opfers in der israelischen Armee in Beziehung zu setzen, offenbart bestenfalls erhebliche Wissensdefizite beim Autor. Der Kommentator unterliegt auch einer Fehleinschätzung bei der Bewertung der Situation im Nahen Osten. Es geht in der laufenden Diskussion gerade nicht darum, der Bundeswehr die Legitimation für einen friedensschaffenden Einsatz – egal wo – aus historischen Gründen abzusprechen. Die Bundeswehr ist nicht die Wehrmacht oder die SS. Die Bundeswehr und ihre Soldaten sind die Streitkräfte des demokratischen Nachkriegsdeutschlands mit allen Rechten und Pflichten. Trotzdem, ja gerade deswegen ist es geboten, genau zu analysieren. Ziele, Möglichkeiten und Risiken nicht nur für die Soldaten, sondern auch die politischen müssen sehr genau abgewogen werden. Kosovo und Afghanistan haben schmerzlich genug gezeigt, wie begrenzt die Möglichkeiten auch der Bundeswehr trotz guten Willens sind. Die materiellen und personellen Kapazitäten der Bundeswehr sind mehr als ausgeschöpft. Von einem dauerhaften Frieden sind wir dort außerdem noch weit entfernt. Beide Einsätze sind mit dem Mandat im Libanon auch nicht vergleichbar. Keiner der europäischen Staaten ist militärisch oder diplomatisch allein in der Lage, die Aufgaben eines Friedenstifters im Nahen Osten zu leisten. Selbst zusammen kann Europa nur im Quartett mit Russland, den Vereinigten Staaten und China nachhaltig etwas bewirken. Die erfolglose Pendeldiplomatie der einzelnen europäischen Außenminister beweist aber gerade alles andere als eine gemeinsame EU-Position. Wenn der Autor darauf hinweist, dass es im Südlibanon darum geht, die Hisbollah zu entwaffnen und nicht auf israelische Soldaten zu schießen, dann ist das eine ebenso naive wie fatale Verkürzung der Sachlage. Erstens weiß niemand, ob zu Recht oder Unrecht doch auf einen israelischen Soldaten geschossen wird. Was dann? Zweitens, was passiert, wenn die Hisbollah sich nicht entwaffnen lässt und weiter Raketen fliegen? Die Hisbollah ist eine Terrororganisation und führt einen Stellvertreterkrieg für Syrien und schließlich das Mullahregime im Iran. Der regionale Machtanspruch des Iran und sein Nuklearwaffenprogramm sind die größten Hindernisse auf einem Weg zur Lösung des Konflikts. Die Bundesregierung verhält sich richtig, nämlich besonnen und glaubwürdig.

Stephan J. Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Berlin-Mitte

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